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Büchel

Der Fliegerhorst Büchel in der Eifel – unweit von Cochem an der Mosel gelegen – ist seit 2004 der einzige Standort der Bundeswehr, an dem nachweislich Atomsprengköpfe eingelagert sind. Für die Bevölkerung, die im Umfeld des Fliegerhorstes der deutschen Luftwaffe lebt, stellt die Bundeswehr als wichtigster Arbeitgeber mit über 2000 Arbeitsplätzen einen entscheidenden Wirtschaftsfaktor dar.

In der Kaserne ist das Jagdbombergeschwader 33 stationiert. Ausgerüstet ist das Geschwader normalerweise mit insgesamt 36 Flugzeugen des Typs Tornado, die sowohl für den konventionellen als auch für den nuklearen Einsatz ausgestattet sind. Die deutsche Luftwaffe bildet hier im Rahmen der innerhalb der NATO vereinbarten sogenannten nuklearen Teilhabe Jagdbomberpiloten für den Einsatz mit den taktischen Atomwaffen aus, um diese ins Zielgebiet fliegen und abwerfen zu können. Diese nukleare Teilhabe ist völkerrechtlich äußerst umstritten.

Fast 50 Jahre nach seiner Einführung 1981 werden die Tornados 2030 stillgelegt. Die Luftwaffe plant, alle 35 neu zu beschaffenden atomwaffenfähigen Kampfbomber F-35/A nach Fortgang/Abschluss einer geplanten Grundsanierung der Start- und Landebahn auf dem Fliegerhorst zu stationieren. Die geplanten Baumaßnahmen werden laut einem Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr voraussichtlich im Februar 2026 abgeschlossen sein. Weitere Baumaßnahmen werden noch bis mindestens 2028 andauern, der Flugbetrieb soll dadurch aber nicht weiter eingeschränkt werden. Der Fliegerhorst Nörvenich unweit von Köln dient seit Juli 2022 als Ausweichstandort für die normalerweise in Büchel stationierten Tornados.

Das Geschwader war zunächst 1957 mit derF-84F Thunderstreak ausgestattet. Die atomare Bewaffnung für dieses Flugzeug bestand aus einer freifallenden Fliegerbombe mit einer Sprengkraft von 8 KT (Kilotonnen). Das Geschwader in Büchel wurde vom 1. Juli 1958 an zum Jagdbombergeschwader 33. Im Dezember 1958 wurde dies offiziell der NATO unterstellt. Ab 1964 erfolgte die Umrüstung auf den Starfighter F-104G. Die atomare Bewaffnung bestand anfangs aus der Mk-28 Atombombe. Es handelte sich dabei um die erste US-amerikanische Waffe dieser Art. Nach einem Baukastenprinzip konnte diese Waffe in 5 verschiedenen Abwurfvarianten zusammengesetzt werden, um verschiedenen Trägersystemen gerecht zu werden. Bei der Version für die F-104G handelte es sich um die Version Mk-28 FUFO, die den gebremsten Abwurf von schnellen Jets im Tiefflug erlaubte und weiter über eine Sprengkraft von 1100 Kilotonnen (KT) verfügte. Die Abwurfhöhe lag zwischen 91 und 183 Metern. Diese Version wurde ab 1968 von der Mk-43 Atombombe des Tactical Air Command abgelöst. Die Waffe verfügte über ein Gewicht von knapp 1000 kg und einer unveränderlichen Sprengwirkung von 1 MT (Megatonne). Sie war als Außenlast speziell für den Abwurf von schnell- und tieffliegenden Jagdbombern entwickelt worden.

Die Ausbildung in den einzelnen Abwurfverfahren erfolgte mit der US-amerikanischen Übungsbombe Mk-106. Diese wurde etwa ab 1975 von der DM18 aus deutscher Produktion abgelöst. Erst wenn der Pilot sich in allen Verfahren qualifiziert hatte, erhielt er die Möglichkeit die Profilübungsbombe BDU-8/B/BDU-12B (Bomb Dummy Unit) bei einem Übungseinsatz auf dem NATO-Schießplatz Decimomannu (Italien) abzuwerfen.

Ständige Weiterentwicklungen und Erprobungen fügte als Ergänzung ab 1968 die Mk-57 Atombombe mit einer vergleichsweise minimalen Sprengkraft von 5-20 KT dem Atomwaffenarsenal der deutschen Starfighter F-104 hinzu.

Ab dem Jahr 1975 wurde die Version Mk-43 von der Mk/B-61 Abwurfwaffe abgelöst. Dies war eine optimierte und fortschrittlichere Bombe für den Abwurf von schnell und unter 90 Metern fliegenden Kampfflugzeugen, zu denen die Starfighter F-104G gehörte, und als Mehrzweckwaffe für taktische und strategische Einsätze gedacht.

Der Einsatz der mit Atomwaffen beladenen Starfighter war nur möglich, wenn die Bomben zuvor vom US-amerikanischen Personal geschärft worden waren. Das geschah erst unmittelbar vor dem befohlenen Einsatz. War der Code an der Bombe von den US-Amerikanern nicht korrekt eingestellt, konnte diese nicht zum Einsatz gebracht werden.

Die Umrüstung auf den ebenfalls nuklearwaffenfähigen Jagdbomber vom Typ Tornado erfolgte ab 1984.

Der Standort Büchel verfügte zu unterschiedlichen Zeiten über insgesamt drei räumlich getrennte Atomwaffenlagerorte. Bis 1989 wurde eine kleine Anzahl von Atomwaffen in einem verbunkerten Sonderwaffenlager (genaue Lage nicht bekannt) auf dem Gelände des Flugplatzes selbst bereitgehalten. Die große Mehrzahl der Atombomben wurde in einem ca. 3 km nördlich der Landebahn gelegenen Atomwaffenlager (50°12'01"N, 7°04'24"O) bereitgehalten. Der Transport der Atomwaffen zu den Flugzeugen erforderte "Konvois mit starken Sicherungskräften, die durch öffentlich zugängliches Gelände fahren mussten. Schon das Vorhandensein der Konvois zog Aufmerksamkeit auf sich und war für Sabotageakte anfällig".

1990 wurde im Norden des Areals im Rahmen des NATO-Programms Weapons Storage and Security System (WS3) ein neues Atomwaffenlager (50°10'55"N, 7°03'48"O) errichtet, das maximal 44 Atombomben in elf so genannten „Grüften“ aufnehmen kann. Dieses System ermöglicht die Lagerung der Atomwaffen in den Flugzeugschutzbauten unmittelbar unter den Flugzeugen. In den Bunkern werden nach verschiedenen Medienberichten, aber offiziell nicht bestätigt, aktuell bis zu 20 taktische US-Atomwaffen des Typs B61-3/4 gelagert. Dieser Bombentyp hat eine einstellbare Sprengkraft von 0,3 bis 170 Kilotonnen TNT. Letzteres entspricht mehr als der 13-fachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe „Little Boy“.

„… Eine Form der Gegenleistung könnte z. B. in der sog. „nuklearen Teilhabe“ bestehen – also ein vertragliches „Zwei-Schlüssel“-System für den gemeinsamen Einsatz von Nuklearwaffen, wie es seit Jahren gemeinsam mit den USA (z. B. auf der Militärbasis im pfälzischen Büchel) praktiziert wird.“ (wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags)

Die deponierten Atomwaffen müssen im Kriegsfall vom US Präsidenten freigegeben werden. Sie unterstehen der US Air Force und der 702. Munition Support Squadron (702 MUNSS) der 38. Munitions Maintenance Group (38 MUNG). Diese US Einheit ist verantwortlich für Verwahrung, Bewachung, Wartung und Freigabe des Waffenvorrats der höchsten Sicherheitskategorie. Die deutsche Luftwaffe unterstützt diese Einheit mit der Luftwaffensicherungsstaffel „S“.

Das Programm des Pentagons sieht den Bau von insgesamt rund 500 Atombomben des Typs B61-12 für etwa 10 Milliarden Dollar im Rahmen eines Programms der so genannten Lebensdauerverlängerung (Life Extension Program) vor. Dazu zählen auch die Bomben für Büchel. Bisher handelt es sich um reine Abwurfbomben. Die neu konstruierten Bomben werden dann die modernsten Atomwaffen der USA. Die neue Version soll ein Steuerungssystem erhalten, das FReichweite und Zielgenauigkeit verbessert. Sie hat einen Atomsprengkopf mit vierfach variabler Sprengkraft, die vor dem Start dem zu zerstörenden Ziel angepasst wird. Sie kann als „Bunker-Buster“ tief in den Boden eindringen und erst dort explodieren, also verbunkerte Gefechtsstände und Befehlszentren zerstören. Kritiker wenden ein, damit würden die Waffen zu präzisionsgesteuerten Fernwaffen umgebaut werden und die Einsatzwahrscheinlichkeit erhöhen. Nach ursprünglicher Planung sollten die ersten Bomben bereits ab 2017 einsatzbereit sein, inzwischen erwartet man sie 2023-24.

Die Bundeswehr beteiligt sich regelmäßig mit Kampfjets aus Büchel an dem geheimen NATO-Manöver mit dem Namen „Steadfast Noon“. Dabei werden unter anderem der Einsatz und Abwurf von Atomwaffen geübt.

Regelmäßigen Umfragen zufolge sprachen sich über viele Jahre hinweg eine deutliche Mehrheit der Befragten für einen Abzug der Atomwaffen aus. In einer im Juni 2022 durchgeführten, repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR-Politmagazins Panorama spricht sich erstmals eine Mehrheit für den Verbleib dieser Waffen in Deutschland aus. 52 Prozent befürworten den Verbleib, 39 Prozent lehnen ihn ab. Vermutlich unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022.

Seit 1996 ist der Fliegerhorst symbolischer Standort von Aktionen der Friedensbewegung, mit denen das Ende der nuklearen Teilhabe in Deutschland, der Abzug der Atomwaffen und seit 2017 die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) durch die Bundesregierung gefordert wird. Dieser im Juli 2017 beschlossene und im Januar 2021 in Kraft getretene UN-Vertrag verbietet Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung, Androhung des Einsatzes und Einsatz von Atomwaffen für alle beigetretenen Staaten. Zu den Aktionen unter anderem am Haupttor zählen vielzählige Veranstaltungen wie Mahnwachen, Diskussionen, Kundgebungen mit Kultur oder Blockaden. Das größte Aufsehen erregte bisher die Demonstration am 30. August 2008 mit etwa 2000 Teilnehmenden.

Seit 1997 - und in den letzten Jahren verstärkt - ist es Demonstrant*innen wiederholt gelungen, die militärischen Sicherungs-Maßnahmen zu überwinden und auf das Atomwaffengelände einzudringen.

Der Aachener Friedenspreis wurde 2019 an die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ und an den lokalen „Initiativkreis gegen Atomwaffen“ verliehen. Beide wurden für ihr jahrzehntelanges Engagement gegen die US-Atombomben in Büchel und weltweit geehrt.

Zum Schutz gegen Atomwaffengegner*innen und andere unerwünschte Besucher*innen wird seit 2019 der Fliegerhorst mit einer komplett neuen Zaunanlage ausgestattet. Inklusive Postenweg, einer vorläufigen zusätzlichen Umzäunung sowie zahlreichen neuen Sensoren und Kameras schlägt jeder Kilometer laut Planung mit mehr als einer Million Euro zu Buche. rb

Bearbeitungsstand: August 2022

Weitere Informationen über Atomwaffenstandorte in Deutschland

Quellen:

Bensiek A: Nuklearwaffen werden nicht abgezogen, sondern modernisiert, 23.07.2014
Bundeswehr: Taktisches Luftwaffengeschwader 33, Bundeswehr-Homepage
Rolf Ferch: F-104 Verbände der Bundeswehr, kein Datum angegeben
Nassauer O, Piper G: Atomwaffen-Modernisierung in Europa. Das Projekt B61-12, August 2012
ntv: Bundeswehr baut Schutzzaun in Büchel, ntv.de, mmo/dpa, 10.06.2019
Wissenschaftliche Dienst des Bundestages: Völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands beim Umgang mit Kernwaffen, 23.05.2017

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