Atomwaffen A-Z

Nörvenich

ehem. Atomwaffenstandort, Deutschland

Der Fliegerhorst Nörvenich (50°50’16“N, 06°39’49“O) liegt rund 24 km südwestlich der Stadt Köln in Nordrhein-Westfalen. Hier ist das  Jagdbombergeschwaders 31 der Bundesluftwaffe stationiert. Die Erstausstattung des Geschwaders bestand aus Jagdbombern des Typs F-84F Thunderstreak. Ab Herbst 1961 wurde das Waffensystem F-104 G Starfighter eingeführt. 1980 begann die Umrüstung auf das Waffensystem PA-200 Tornado IDS, die bis 1983 abgeschlossen wurde. Alle Waffensysteme waren für den atomaren Einsatz geeignet.

In jedem Jagdbombergeschwader standen jeweils zwei Alarmrotten mit Atombomben startklar. Diese Maschinen waren betankt und bewaffnet in einem besonders gesicherten Bereich des Flugplatzes am Rande der Startbahn positioniert (Auf dem Fliegerhorst Nörvenich im nördlichen Teil der Anlage auf dem Luftbild deutlich erkennbar).  Der Sicherheitsbereich war durch eine weiße Linie markiert und wurde durch amerikanische Soldaten; die auf jeden Unbefugten, der die Linie überschritt, sofort zu schießen hatten, bewacht. US-Offiziere hatten die Schlüsselgewalt und verfügten über die Codes zur Schärfung der Bomben. Die deutschen Piloten befanden sich in unmittelbarer Nähe ihrer Flugzeuge. Bei Alarmierung mussten sie innerhalb von fünf Minuten mit ihren Maschinen in der Luft sein. In versiegelten Umschlägen befanden sich die anzufliegenden Zielkoordinaten. (Quelle: airventure.de)

Bis Ende 1989 wurde auf jenen Haupteinsatzflugplätzen, die in das NATO System der Sofort-Reaktion, des Quick Reaction Alert (QRA), eingebunden waren, eine kleine Anzahl von Atomwaffen in einem verbunkerten Sondermunitionslager auf dem Gelände des Flugplatzes selbst bereitgehalten. Die große Mehrzahl der Atombomben wurde in abseits davon gelegenen, getrennten Atomwaffenlagern aufbewahrt. Diese waren teilweise, so auch in Nörvenich, direkt auf dem Flugplatzgelände zu finden. (50°50'16“N, 6°39'18“N)

1990 wurden im Rahmen eines NATO-Bauprogrammes moderne Atomwaffenlager unter anderem auf drei deutschen Flugplätzen (Büchel, Memmingen und Nörvenich) in Betrieb genommen. Dieses System ermöglichte die Lagerung der Atomwaffen in den Flugzeugschutzbauten unmittelbar unter den Flugzeugen. In Nörvenich befand sich das neue Lager (50°50'18“N, 6°39'51“O) in unmittelbarer Nachbarschaft (weniger als 1000 m) zum alten Lager. Mit der Umrüstung wurden die zu den betreffenden Flugplätzen gehörigen "Sonderwaffenlager", d.h. spezielle Munitionsbunker für Atomwaffen, außer Betrieb genommen. (Otfried Nassauer: Amerikanische Nuklearwaffen in Europa 1996-97)

Die atomare Bewaffnung der F84F Thunderstreak bestand aus einer freifallenden Fliegerbombe mit einer Sprengkraft von 8 Kilotonnen.

Der Starfighter F-104G war anfangs mit einer Mk.28 Atombombe ausgerüstet. Es handelte sich dabei um die erste amerikanische Waffe dieser Art. Nach einem Baukastenprinzip konnte diese Waffe in 5 verschiedenen Abwurfvarianten zusammengesetzt werden, um verschiedenen Trägersystemen gerecht zu werden. Bei der Version für die F-104G handelte es sich um die Version Mk.28 FUFO, die den gebremsten Abwurf von schnellen Jet's im Tiefflug erlaubte und weiter über eine Sprengkraft von 1100 Kilotonnen (KT) verfügte. Die Abwurfhöhe lag zwischen 91 und 183 Metern.

Diese Version wurde ab 1968 von der Mk.43 Atombombe des Tactical Air Command abgelöst. Die Waffe verfügte über ein Gewicht von knapp 1000 kg und einer unveränderlichen Sprengwirkung von 1 Megatonne (MT). Sie war als Außenlast speziell für den Abwurf von schnell und tieffliegenden Jagdbombern entwickelt worden.

Die Ausbildung in den einzelnen Abwurfverfahren erfolgte mit der Übungsbombe MK-106, die von den Abwurfbehältern / Übungsbombenträgern getragen wurden. Diese amerikanische Übungsbombe wurde etwa ab 1975 von der DM18 aus deutscher Produktion abgelöst. Erst wenn der Pilot sich in allen Verfahren qualifiziert hatte, erhielt er die Möglichkeit die Profilübungsbombe BDU-8/B/BDU-12B (Bomb Dummy Unit) bei einem Übungseinsatz auf dem NATO-Schießplatz Decimomannu (Deci) abzuwerfen.

Ständige Weiterentwicklungen und Erprobungen fügte als Ergänzung ab 1968 die Mk.57 Atombombe mit einer vergleichsweise minimalen Sprengkraft von 5-20 KT dem A-Waffenarsenal der deutschen "F-104" hinzu.

Ab dem Jahr 1975 wurde die Version Mk.43 von der Mk/B 61 Abwurfwaffe abgelöst. Dies war eine optimierte und fortschrittlichere Bombe für den Abwurf von schnell und unter 90 Metern fliegenden Kampfflugzeugen, zu denen die F-104G gehörte, und als Mehrzweckwaffe für taktische und strategische Einsätze gedacht.

Der Einsatz der mit A-Waffen beladenen Starfighter war nur möglich, wenn die Bomben zuvor vom amerikanischen Personal geschärft worden waren. Das geschah erst unmittelbar vor dem befohlenen Einsatz. War der Kode an der Bombe von den Amerikanern nicht korrekt eingestellt, konnte diese nicht zum Einsatz gebracht werden. (Rolf Ferch: www.rolfferch.de/F104G/html/strikebeladeschema.html)

Ab 1968 wurde bei den Jagdbombergeschwadern die Wasserstoffbombe vom Typ B-61 für den Einsatz bereitgehalten. Dabei handelte es sich um eine frei fallende Fliegerbombe, von der fünf verschiedenen Modelle existierten (B-61-3, -4, -7, -10 und -11). Die B-61-11 ist auch als nuklearer "Bunker Buster" bekannt. Alle Modelle besaßen eine variable Sprengkraft: Modell 3 bis zu 45 Kilotonnen, Modell 4 bis zu 170 Kilotonnen, bis hin zu maximal 340 Kilotonnen, was mehr als der 26-fachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe  entspricht. (LL)

Bearbeitungsstand: Juni 2011

Weitere Informationen über Atomwaffenstandorte in Deutschland

siehe auch: B-61-Bombe
siehe auch: Büchel
siehe auch: KT (Kilotonne)
siehe auch: NATO
siehe auch: Sondermunitionslager
siehe auch: Starfighter-F104

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