Atomwaffen A-Z

Der Vietnamkrieg: Drohmittel Atomwaffen

Am 27. Januar 1973 vereinbarten die beiden vietnamesischen Staaten und die USA in Paris ein Abkommen, das den Abzug der US-Truppen aus Südvietnam vorsah und den Vietnamkrieg beenden sollte. Tatsächlich dauerten die Kriegshandlungen zwischen Nord- und Südvietnam noch über zwei Jahre an, doch endete der Einsatz US-amerikanischer Truppen im Süden des Landes offiziell am 29. März 1973. Der Krieg in Vietnam ging als einer der blutigsten Stellvertreterkriege in der Zeit des Kalten Krieges in die Geschichte ein und kostete Millionen Menschen das Leben.
 
Weniger bekannt ist allerdings die Tatsache, dass während dieser Zeit auch mehrfach über den Einsatz von Atomwaffen nachgedacht wurde. Im Jahre 2002 machte die Veröffentlichung eines Tonbandes aus dem Jahre 1972 Schlagzeilen, aus dem hervorgeht, dass der damalige US-Präsident Nixon den Einsatz einer Atombombe in einem Gespräch mit seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger in Erwägung zog.


President Johnson visiting troops in Vietnam. Bild: Wikimedia Commons, Public DomainDoch bereits Mitte der 60er-Jahre - während der Regierungszeit des demokratischen Präsidenten Lyndon B. Johnson (1963 - 1969) - war ein Einsatz von Atomwaffen in Vietnam ein immer wieder diskutiertes Szenario. Dabei ging es unter anderem um die strategische Frage, wie zu reagieren sei, falls die Volksrepublik China direkt in den Konflikt eingreifen und den Krieg so ausweiten sollte.

Aus Kreisen der republikanischen Opposition gab es in dieser Zeit sogar einflussreiche Befürworter eines weitreichenden Einsatzes von Atomwaffen, etwa der republikanische Senator und (erfolglose) Präsidentschaftskandidat des Jahres 1964, Barry Goldwater, der sich während seines Wahlkampfes offen für den Einsatz von Atomwaffen entlang der Grenzen Südvietnams aussprach.


Alles in allem standen die wichtigsten Entscheidungsträger der Johnson-Administration dem Einsatz von Atomwaffen allerdings kritisch gegenüber, da sie eine weitere Eskalation des Krieges befürchteten.
Dennoch bestimmte die Frage nach einem möglichen Einsatz von Atomwaffen im Frühjahr 1968 wieder die öffentliche Diskussion. Da in einer US-Militärstellung einige Tausend Marines eingeschlossen und von einer Übermacht nordvietnamesischer Truppen belagert wurden, warfen US-Generäle und Politiker die Frage auf, ob taktische Atomwaffen eine Möglichkeit waren, die Blockade durch die Truppen Nordvietnams zu brechen. Auch in Deutschland berichtete der Spiegel über dieses mögliche Szenario, das allerdings von Präsident Johnson verworfen wurde.


Richard Nixon. Bild: Wikimedia Commons, Public DomainMit dem Übergang der Regierungsgeschäfte von Lyndon B. Johnson auf den Republikaner Richard Nixon im Januar 1969 veränderte sich die politische Lage in den Vereinigten Staaten deutlich, was auch Auswirkungen auf die Vietnampolitik des Landes hatte. Grundsätzlich galt Richard Nixon als Befürworter einer Strategie, die auf die nukleare Übermacht der Vereinigten Staaten und auf Atomwaffen als Drohmittel im Kampf gegen den kommunistischen Block setzte. So erklärte Nixon während eines Interviews mit der New York Times, dass er während seiner Amtszeit ganze vier Mal erwogen habe, Atomwaffen einzusetzen - unter anderem um den Vietnamkrieg zu beenden.


Eine besondere Rolle für die Politik der USA in Vietnam während der Amtszeit Nixons spielte auch Henry Kissinger, der seit der Amtseinführung Nixons als offizieller Berater des Präsidenten für Außen- und Sicherheitspolitik fungierte und 1973 in das Amt des Außenministers wechselte. So wurden unter Kissingers Leitung im Jahre 1969 die Planungen für die so genannte „Operation Duck Hook“ begonnen, die eine großangelegte Militäraktion gegen Nordvietnam bedeutet hätte.

Dokumente legen nahe, dass Kissinger dabei selbst Überlegungen anstellte, eine Atomwaffe einzusetzen, um Nachschubwege von China nach Nordvietnam zu blockieren. Wie konkret derartige Planungen aber tatsächlich waren, bleibt umstritten. Tatsache ist, dass die gesamte Operation „Duck Hook“ von Präsident Nixon im November 1969 endgültig verworfen wurde.


Wenig später allerdings stand die Anwendung von Atomwaffen erneut zur Debatte. Kurz vor dem Rückzug der US-amerikanischen Truppen aus Südvietnam wurde wiederum ein schwerer Militärschlag gegen den Norden diskutiert, mit dem die US-Regierung das Blatt noch zu wenden hoffte, um den sieglosen Rückzug ihrer Truppen aus Südvietnam zu vermeiden. Aus dieser Zeit stammt auch das eingangs erwähnte Gespräch zwischen Nixon und Kissinger, in dem der Präsident den Einsatz einer Atomwaffe befürwortet, jedoch von seinem Sicherheitsberater zur Vorsicht ermahnt wird.


Letztlich konnte bei den Friedensverhandlungen in Paris Anfang 1973 tatsächlich ein Abzug der US-Truppen aus dem Süden Vietnams vereinbart werden, ohne dass eine nukleare Eskalation des Krieges stattgefunden hätte. Wie groß die Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen während des Vietnamkrieges dabei tatsächlich war, bleibt weiterhin umstritten.

Dennoch lässt sich das sichere Fazit ziehen, dass Atomwaffen als Drohmittel ein wichtiger Teil der Kriegstaktik waren. Präsident Nixon erklärte dabei selbst, dass er niemals erklären werde, auf einen Atomwaffeneinsatz öffentlich zu verzichten, da es vielmehr nötig sei, den Gegner darüber im Ungewissen zu belassen, wie weit man den Konflikt zu eskalieren bereit wäre.

Auch wenn Atomwaffen während des Vietnamkrieges tatsächlich nicht eingesetzt wurden, spielten sie also eine gewichtige und gefährliche Rolle in diesem Konflikt. (js)


Bearbeitungsstand: Juli 2021

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