Atomwaffen A-Z

Budapester Memorandum

Am 5. Dezember 1994 wurde das „Budapester Memorandum“ im Rahmen eines Gipfeltreffens der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) unterzeichnet.

Das Memorandum war eine Vorbedingung für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages sowie des Atomteststoppvertrages der Ukraine, Kasachstans und Weißrusslands.

Im Memorandum heißt es:

„In Anbetracht der neuen Bedrohungen durch die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen haben wir grundlegende Prinzipien vereinbart, die uns in unserer einzelstaatlichen Politik leiten und uns auf unsere gemeinsamen Ziele der Nichtverbreitung hinführen sollen. Wir legen ein festes Bekenntnis zur uneingeschränkten Erfüllung sowie zur unbefristeten und bedingungslosen Verlängerung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ab. Wir begrüßen die jüngsten Erklärungen der vier Kernwaffenstaaten in der KSZE-Region in Bezug auf Kernwaffentests, da diese der Aushandlung eines umfassenden Kernwaffen-Teststoppvertrags dienlich sind…“. (Gipfelerklärung von Budapest, Ziffer 12)

Mit dem »Budapester Memorandum« verpflichteten sich die USA, Russland und Großbritannien (China und Frankreich legten abgeschwächte Versionen ab) in drei getrennten Erklärungen, die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie die existierenden Grenzen von Weißrussland (Belarus), der Ukraine und Kasachstan zu respektieren. Im Gegenzug sollen diese Länder auf den Besitz von Nuklearwaffen verzichten.

Artikel 2 des Memorandums enthält die Verpflichtung seitens der USA, Frankreichs, Russlands und Großbritanniens auf Gewalt bzw. auf die Androhung von Gewalt zu verzichten. Keine Waffen dürfen jemals gegen die Unterzeichnerstaaten eingesetzt werden, außer zur Selbstverteidigung oder anderweitig in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen. Im Artikel 3 wurde auch auf jeglichem ökonomischen Zwang verzichtet.

Als Ergebnis dieser Vereinbarung wurden die in diesen Staaten noch aus Zeiten der Sowjetunion stationierten Nuklearwaffen bis zum Jahre 1996 nach Russland abgezogen, das als rechtlicher Nachfolgestaat der UdSSR Atomwaffenstaat geblieben war.

Die Ukraine hatte dabei eine besondere Stellung. Mit dem Ende des Kalten Krieges "erbte" das Land 176 strategische und mehr als 2.500 taktische Atomwaffen und damit das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt. Alle Kontrollsysteme waren jedoch in Russland und die ukrainischen Militärs hatten keine Startcodes für die Atomwaffen, die mit PAL-Sperren ausgestattet waren. Somit hatte Kiew keine direkte Verfügungsgewalt über diese Atomwaffen.

Nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 wurde oft die Frage gestellt, ob die Ukraine die Atomwaffen hätte behalten sollen. Der ehem. Präsident Krawtschuk sagte dazu in einem Interview mit der Deutschen Welle, dass sich diese Frage nicht wirklich gestellt hätte, weil der Preis zu hoch gewesen wäre. Eine Eigenproduktion von nuklearen Sprengköpfen für die in der Ukraine produzierten Trägersysteme wäre zu teuer gewesen und „die Staatskasse war leer“, so Krawtschuk. Allerdings erklärte die Ukraine damals ihre Absicht, operationelle Kontrolle über die strategischen Atomwaffen zu erzielen, die auf ihrem Territorium geblieben waren. Russland machte daraufhin deutlich, dass dies als Kriegshandlung interpretiert werden könnte.

Das Memorandum war eine Vereinbarung ohne Sanktionsmechanismus und blieb daher schließlich wirkungslos. Russland behauptete im April 2014, dass die Krim freiwillig aus der Ukraine ausgetreten und daher das Budapester Memorandum nicht betroffen sei.

Die USA sahen sich auch nicht in der Pflicht, nach der Krim-Annexion die Ukraine zu verteidigen, weil laut dem ehem. US-Botschafter in Kiew Jeffrey Payett, das Memorandum „keine Sicherheitsgarantien“ enthalte, sondern nur eine Verpflichtung, die Souveränität und Grenzen der Ukraine zu respektieren. Allerdings steht im Artikel 4 eine klare Verpflichtung „Hilfe zu leisten, falls die Ukraine Opfer eines Aggressionsaktes oder Angriffsdrohung wird, wo Atomwaffen verwendet werden“. Ob hier Atomwaffen im Spiel waren, ist Interpretationssache.

Darüber hinaus ist der Rechtscharakter des Memorandums umstritten, da es bestimmte Formulierungen nicht enthält, die es für die USA zu einem rechtsverbindlichen Vertrag machen würden. Daher blieb die Vereinbarung für die USA auf der Ebene einer politischen Willenserklärung.

Die USA und Großbritannien werfen Russland eine Nichteinhaltung des Memorandums durch die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine vor. Russland sieht die Einmischung der EU und der USA wegen der Unruhen in Kiew und die Sanktionen gegen die damalige Staatsführung sowie die Anerkennung der neuen Staatsführung nach einer Machtübernahme ebenfalls als Bruch der Vereinbarung an.

Der Streit über die Einhaltung des Memorandums durch die Ukrainekrise hat eventuell Folgen für das Nichtverbreitungregime. Die Verlässlichkeit der Sicherheitsgarantien der Atomwaffenstaaten, Atomwaffen nie gegen Staaten einzusetzen, die keine Atomwaffen besitzen, wird in Frage gestellt. xh (Quellen: Deutsche Welle, FAS, Lugar Center, Unian)

Bearbeitungsstand: November 2019

Budapester Memorandum (Ukraine) im Wortlaut

Bild oben: Ehem. US-Außenminister John Kerry adressiert das Ministertreffen zum Budapester Memorandum am 5. März 2014 in Paris. Foto: US-Außenministerium / gemeinfrei

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