via Cut-Off
Fissile Material Cut-Off Treaty (FMCT)
dt.: Der Vertrag über die Abschaltung von spaltbarem Material
Die Beendigung der Produktion von spaltbaren Materialien - Plutonium und hochangereichertes Uran - für Waffenzwecke; zu engl.: Fissile Material Cut-Off Treaty, FMCT (kurz Cut-Off) steht schon seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung der Genfer Abrüstungskonferenz (engl.: Conference on Disarmament, CD). Seit den späten 1990er Jahren ist das Vorhaben jedoch in den Hintergrund gerückt. Zwar wurde sich 1995 über ein vom kanadischen Botschafter Gerald Shannon vorgeschlagenes Mandat (CD/1299) für die Verhandlungen geeinigt und ein Ausschuss gebildet, jedoch wurde seitdem ein Fortkommen der Verhandlungen blockiert. Es gibt seit 1996 keinen Arbeitsplan und eine Einigung über die Reduzierung von bereits vorhandenen Beständen von Plutonium und hochangereichertem Uran - über die einige Atomwaffenstaaten in erheblichem Umfang verfügen – konnte nicht erzielt werden.
Das »International Panel on Fissile Material« (IPFM) veröffentlichte Anfang 2006 einen Bericht, in dem eine Lösung der Verhandlungsprobleme skizziert wird. Demnach soll in dem Vertrag eine Staffelung eingefügt werden, damit er nach und nach in seinem Umfang erweitert werden kann und die Verifikation robuster wird.
Außerdem gab das Panel bekannt, dass vorerst Materialien für Atomwaffen und Marinereaktoren deklariert, und nachfolgend sowohl alle Materialien in militärischen und zivilen Anlagen, als auch die vorhandenen Bestände mit in die Kontrolle eingeschlossen werden sollten. Weiterhin sollten verbindliche Verpflichtungen formuliert werden, wonach keine Transfers vom zivilen zum militärischen Bereich durchgeführt werden dürften. Militärische und zivile Bestände müssten nach und nach reduziert werden. Somit könnte ein bloßer Produktionsstopp über einen längeren Zeitraum zu einem breiteren Kontrollsystem für spaltbare Materialien ausgebaut werden.
Die USA haben im Mai 2006 der Genfer CD einen neuen Vorschlag für einen Produktionsstopp für spaltbare Materialien vorgelegt. Auf diesem Wege könnten die Verhandlungen über ein Verbot der Herstellung von Materialien für Atomwaffen innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein, so die USA. Es sei notwendig, dem Iran und Nordkorea eine atomare Aufrüstung zu verwehren. Allerdings lehnten die USA ab, ein System zur Überprüfung (Verifikation) der Einhaltung des Produktionsstopps einzurichten. Genau dies war allerdings für einige andere Staaten unannehmbar, sodass die CD den Vorschlag ablehnte.
Die USA beriefen sich bei ihrer Ablehnung eines Verifikationssystems darauf, dass die Überprüfung eines Produktionsstopps nicht durchführbar sei. Hintergrund dieser Haltung war vermutlich, dass die USA es ablehnten, eigene Produktionsanlagen von internationalen Beobachtern inspizieren zu lassen. Mit dieser Position hat das Land eine Aufnahme von Verhandlungen lange blockiert.
Unter dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama wurde der Widerstand gegen Verifikation fallen gelassen. Er erklärte in seiner Prager Rede im April 2009, dass die USA einen neuen Vertrag befürwortet, der die Produktion von spaltbaren Materialien für Atomwaffenzwecke überprüfbar beendet.
Israel hat sich eindeutig gegen ein Produktionsverbot positioniert. Israel habe Probleme, spaltbare Materialien außerhalb des Landes zu besorgen, weil das Land nicht den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat. Falls der vorgelegte Entwurf zum Verbot in Kraft treten würde, könnte die Weiterentwicklung des israelischen Atomwaffenprogramms, das bisher laut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) geschätzte 80-90 Atomwaffen unterhält, unter Druck geraten.
Ein Produktionsstopp für Indien, das ebenfalls den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, wäre auch eine wichtige Eindämmung seines Atomwaffenprogramms, die sonst nicht besteht. Das Abkommen von 2008 zur nuklearen Kooperation zwischen den USA und Indien tangiert das militärische Programm nicht. Kritiker meinten damals, Indien hätte erst einen Produktionsstopp für Waffen einführen sollen, bevor die USA einen atomaren Handel mit Indien betreiben, um sicher zu sein, dass ihre Hilfe nicht zur Atomwaffenproduktion beitragen würde. Ein solcher Schritt wurde aber nicht unternommen.
Vor allem blieb Pakistan das Land, das bisher alle Fortschritte in der CD zum FMCT konsequent blockierte. Pakistans Position bleibt hartnäckig, dass alle bestehenden Bestände von Spaltmaterialien mit in den Verhandlungen einfließen müssen. Für Pakistan ist die Frage der Vorräte an Spaltstoffen zentral, weil Indien und Nordkorea diese weiterhin produzieren und anhäufen. Bei einem Einfrieren (Cut-Off) der Produktion, würde Pakistan weniger Baustoffe für weitere Atomwaffen haben als die anderen Atomwaffenstaaten.
Da die Abrüstungskonferenz mit Konsens arbeitet, kann die Stimme eines einzigen Landes wie ein Veto wirken und somit die Aufnahme der Verhandlungen effektiv verhindern.
Im Mai 2015 legte eine von der UN Resolution 67/53 mandatierte Gruppe von Regierungsexpert*innen eine Liste von Empfehlungen der UN-Vollversammlung vor. Diese enthielt mögliche Aspekte eines künftigen Vertrags (A/70/81) und identifizierte Gemeinsamkeiten und Differenzen über Schlüsselaspekte sowie weitere technische bzw. wissenschaftliche Arbeit, die nützlich seien könnten. Die Gruppe war der Meinung, dass Verhandlungen nach wie vor in der Genfer Abrüstungskonferenz stattfinden sollten.
Fast ein Jahr später versuchten die USA die Verhandlungen wieder zu beleben. Sie reichten der Abrüstungskonferenz einen neuen Vorschlag ein, der zur Einrichtung einer neuen Arbeitsgruppe zur Verhandlung des Vertrags aufrief. Der Vorschlag erreichte ebenfalls keinen Konsens, da Pakistan, China und Russland ihn blockierten.
Es kursiert in den letzten Jahren inoffiziell die Idee, dass – ähnlich wie die Verhandlungen 1996 über einen umfassenden Atomteststoppvertrag – eine Abstimmung in der UN-Vollversammlung, die mit Mehrheitsprinzip arbeitet, mehr Erfolg bringen könnte. Allerdings war im Falle des Teststopps der Vertrag schon fertig verhandelt und konnte nur nicht zum Abschluss gebracht werden.
Deswegen legte der damalige Vorsitzende der Verhandlungen den kompletten Vertrag der UN-Vollversammlung zur Abstimmung vor und somit konnte er abgeschlossen werden. Im Falle des FMCT, müssen die Verhandlungen erst beginnen.
Eine weitere Möglichkeit wäre daher, dass die UN-Vollversammlung – ähnlich wie beim Vertrag zum Verbot von Atomwaffen (TPNW) – eine Verhandlungskonferenz unter UNGA-Regelungen (Mehrheitsprinzip) einberuft und die Verhandlungen damit aus der Genfer Abrüstungskonferenz herausholt.
Frankreich, Russland, die USA und Großbritannien haben erklärt, dass sie sich bereits an ein Produktionsmoratorium für Waffenzwecke halten, China vermutlich seit 1991 auch. Frankreich, Russland, Großbritannien, Japan und Indien betreiben noch zivile Wiederaufarbeitungsanlagen, um Plutonium aus abgebrannten Brennelementen aus AKWs heraus zu trennen. 13 Länder betreiben Urananreicherungsanlagen. Laut IPFM gibt es ca. 1300 Tonnen hochangereichertes Uran und 520 Tonnen getrenntes Plutonium weltweit. xh (Quellen: Arms Control Association, CD, IPFM, NTI, UNGA)
Bearbeitungsstand: März 2020
Bild oben: US-Behörde NNSA kontrolliert spaltbare Materialien. Foto: NNSA / gemeinfrei