Atomwaffen A-Z

Massive Vergeltung

engl.: massive retaliation

Von 1950 bis 1960 galt das Prinzip der massiven Vergeltung und Präemption. (Präemption bedeutet, dass der gegnerische erste Schlag schon unterwegs ist oder unwiderruflich angeordnet ist. Präventiv ist ein Schlag, wenn der gegnerische Angriff nur geplant oder wahrscheinlich ist). US-Kriegsplanungen sahen bereits 1950 neben der Zerstörung von Städten auch die Vernichtung sowjetischer Produktionsanlagen von Atomwaffen vor. Ein unprovozierter Erstschlag gegen die UdSSR wurde jedoch vom Nationalen Verteidigungsrat der USA abgelehnt. Im Falle eines eindeutig bevorstehenden Angriffs wurde der präemptive Einsatz von Atomwaffen nicht ausgeschlossen. Die NATO übernahm die Strategie der massiven Vergeltung im Dezember 1954. Das NATO-Dokument MC 14/2 vom März 1957 sah einen raschen Rückgriff auf Atomwaffen bei nahezu jeder militärischen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion vor. Ab Ende 1953 wurde dafür eine beträchtliche Anzahl taktischer Atomwaffen (Artilleriemunition, Bomben, Kurzstreckenraketen, Atomminen) in Europa stationiert, die Mitte der sechziger Jahre mit etwa 7000 Gefechtsköpfen ihren Höhepunkt erreichte. Die Aussage des stellvertretenden NATO-Oberbefehlshabers, General Bernard Montgomery, Ende 1954 lässt keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Drohung, Atomwaffen einzusetzen: "Ich möchte absolut klarstellen, dass wir im NATO-Hauptquartier alle unsere Einsatzpläne auf die Verwendung von atomaren und thermonuklearen Waffen zu unserer Verteidigung stützen. Bei uns heißt es nicht: ‚Sie werden vielleicht eingesetzt’, sondern es heißt sehr bestimmt: ‚Sie werden eingesetzt, wenn wir angegriffen werden’".

Seit Mitte der 1950er Jahre gab es auch auf sowjetischer Seite Überlegungen, im Falle eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs durch die USA, Atomwaffen präemptiv einzusetzen. Die sowjetische Militärdoktrin ging bis Mitte der sechziger Jahre von der Annahme aus, dass ein Krieg zwischen den Großmächten den Einsatz von Atomwaffen einschließen würde. Wie die USA, ging auch die UdSSR davon aus, in einer solchen kriegerischen Auseinandersetzung die Oberhand zu behalten und zu siegen. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, angesichts einer gesicherten Zweitschlagskapazität, setzte sich in der UdSSR offenbar die Auffassung durch, dass ein Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion nicht in jedem Fall zu einem Nuklearschlag gegen die UdSSR führen müsste. Zielorientierung war nicht mehr die Zerstörung Nordamerikas, sondern die Abschreckung eines Einsatzes der US-amerikanischen strategischen Nuklearwaffen. (Quelle nicht bekannt)

Bearbeitungsstand: Mai 2006

siehe auch: Abschreckung
siehe auch: Gefechtskopf
siehe auch: NATO
siehe auch: Kurzstreckenrakete
siehe auch: Zweitschlagsfähigkeit

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