Atomwaffen A-Z

Moruroa und Fangataufa

Auf den Atollen Fangataufa und Moruroa fanden insgesamt 197 Atomwaffentests statt, welche die Umwelt des Archipels radioaktiv verseuchten und seine Bevölkerung gefährlichen Strahlendosen aussetzten.

 

Hintergrund

Zwischen 1966 und 1996 führte die französische Regierung trotz internationaler Kritik 197 Atomwaffentests auf Atollen in Französisch-Polynesien durch: 42 atmosphärische und 141 unterirdische Tests auf Moruroa, 5 atmosphärische und 9 unterirdische Tests auf Fangataufa. Anfangs wurden die Bomben noch auf Booten in der Lagune zur Detonation gebracht. Spätere Tests wurden aufgrund der erheblichen Mengen an radioaktivem Niederschlag, die dabei entstanden waren, mit Sprengköpfen durchgeführt, die unter Ballons hingen. Zudem ging man ab 1975 zu Detonationen in Bohrschächten über, die tief in das Basaltgestein der Atolle getrieben wurden.

Während der dreißigjährigen Ära der Atomwaffentests auf den Atollen lebten im Umkreis etwa 5.000 Menschen. Am stärksten von den Tests betroffen waren die nur 100 km entfernten Inseln Mangareva und Tureia, welche 1968 wegen des hohen radioaktiven Niederschlags evakuiert werden mussten. Mehrere Unfälle erhöhten zudem die Exposition der Bevölkerung: Im Juli 1966 brach eine Atombombe auf der Oberfläche des Moruroa-Atolls auseinander und setzte große Mengen Plutonium-239 frei.

Die Explosion einer 120 Kilotonnen-Bombe im Juli 1979 auf Moruroa verursachte einen Erdrutsch, setzte große Mengen an Strahlung in den Ozean frei und löste einen gigantischen Tsunami aus, der viele Inseln des Archipels schwer verwüstete. Im Frühling 1981 wurde Moruroa zudem von Wirbelstürmen heimgesucht, die radioaktiven Müll und einen Großteil des 1966 freigesetzten Plutoniums ins Meer spülten.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Moruroa und Fangataufa wurden durch die Atomwaffentests mit hoch radioaktivem Niederschlag überzogen, dem sogenannten 'Fallout'. Auch umliegende Inseln wurden davon schwer in Mitleidenschaft gezogen. Wissenschaftler des französischen Militärs fanden auf Mangareva hohe Strahlenwerte in Fischbeständen, sowie Wasser-, Luft- und Bodenproben. Auf der Insel kultivierter Salat wies eine Radioaktivität von bis zu 650.000 Bq/kg auf. Je nach vorherrschender Isotope würde ein Erwachsener durch den Verzehr eines Kilo dieses Salats eine interne Strahlendosis von etwa 40-70 mSv aufnehmen, also mehr als das 100- bis 200-fache der normalen Strahlendosis, die ein Mensch pro Jahr durch Nahrungsmittel zu sich nimmt (ca. 0,3 mSv/a). Ein Kind würde durch die selbe Menge Salat etwa die doppelte interne Strahlendosis erhalten. Zwischen 1966 und 1975 wurden zudem an allen Strahlenmesstationen in Neuseeland, Fiji, Samoa, Tonga und Tahiti und bis nach Peru und Mexiko erhöhte Werte an Radioaktivität gemessen.

Nach der Detonation einer 120 Kilotonnen-Bombe auf Moruroa im Jahr 1966 fiel zudem radioaktiver Niederschlag auf Samoa, was kurzfristig zu einer Erhöhung der dortigen Strahlenkonzentration auf das 1.850-fache führte (von 0,2 Gbq/km2 auf 370 GBq/km2).

Ein ähnlicher radioaktiver Niederschlag ereignete sich 1974 auf Tahiti. Dennoch wurden aufgrund strikter militärischer Sperrmaßnahmen kaum Gesundheitsdaten erhoben oder publiziert. Nur vier wissenschaftliche Studien geringen Umfangs wurden in den letzten Jahren genehmigt. Diese fanden hohe Mengen der radioaktiven Stoffe Tritium, Jod-131 und Cäsium-134 in Sediment- und Wasserproben und sogar noch höhere Werte im Plankton, so dass eine Anreicherung in der marinen Nahrungskette zu befürchten ist.

Während schwere Stoffe wie Uran oder Plutonium in unmittelbarer Nähe zum Ort der Detonation gefunden wurden, waren leichte Radionuklide wie Tritium, Cäsium-137 und Strontium-90 mit der Strömung aufs offene Meer verteilt worden. Eine Studie der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) fand im Sediment der beiden Lagunen allein für Plutonium eine Gesamtaktivität von 30.000 GBq (Giga = Milliarde), also schätzungsweise eine Menge von 15 kg.

Bereits einige Milligramm sind für den Menschen tödlich, ein Mikogram kann zu Nierenschäden, Lungen- und Leberkrebs führen. Mit der Zeit wurde ein graduelles Absinken der Strahlenkonzentration gezeigt. Dies legt nahe, dass über unterirdische Erdspalte ein Verteilungseffekt in den Ozean stattfindet. Es wird geschätzt, dass ca. 20 GBq Plutonium (etwa 10 g) pro Jahr ins Meer gelangen - gute Nachrichten für Moruroa und Fangataufa, aber böse Vorboten für den Rest der Region. Ein Nebeneffekt der militärischen Aktivität auf den Atollen ist auch eine massive Erhöhung der Inzidenz von Ciguatera, einer Form von Fischvergiftung.

Ausblick

Im Jahr 1996 wurden die Atomwaffentests auf Moruroa und Fangataufa nach großen internationalem Druck eingestellt. Beide Atolle gelten bis heute als militärisches Sperrgebiet. Aufgrund ihrer langen Halbwertszeit von etwa 30 Jahren befindet sich noch immer mehr als die Hälfte des freigesetzten Strontium-90 und Cäsium-137, sowie fast das gesamte Plutonium in der Umgebung der Atolle. Auch lagert eine noch unbekannte Menge an radioaktivem Material in den Bohrschächten. 1998 gab der damalige französische Gesundheitsminister zu, dass die Bevölkerung der Inseln Tureia, Reao, Pukarua, Mangareva und Tahiti von radioaktivem Niederschlag der Atomtests betroffen war.

Infolgedessen verabschiedete das französische Parlament im Juni 2010 ein Gesetz zur Kompensation von Inselbewohnern, bei denen Krebserkrankungen aufgetreten waren. An aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien mangelt es jedoch weiterhin. Nur unabhängige epidemiologische Untersuchungen bei uneingeschränktem Zugang zu bislang geheimen Dokumenten, sowie die Entnahme von Luft-, Wasser- und Bodenproben auf Moruroa und Fangataufa könnten dazu beitragen, die tatsächlichen Folgen der Atomwaffentests für die Umwelt und die Menschen des Archipels festzustellen.

 

Bearbeitungsstand: September 2020

Quellen:

IPPNW: Hibakusha Weltweit, Ausstellung, 2014

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