Arsamas-16
Als Josef Stalin im Frühsommer 1945 von Präsident Truman über die ersten amerikanischen Kernwaffentests unterrichtet wurde, verzichtete er nach außen hin auf jede Reaktion. Er hoffe, die Amerikaner würden es verstehen, von der Waffe »einen guten Gebrauch zu machen« - mehr soll er nicht gesagt haben.
Hinter den Kulissen allerdings erhielt das Forscherkollektiv unter dem Kernphysiker Igor Kortschatow Order, das eigene Kernwaffenprogramm »maximal zu beschleunigen«. Mit einem gigantischen Aufwand an Personal und Material wurde das Projekt in Arsamas-16, dem Geburtsort der sowjetischen Atombombe südlich von Nishni Nowgorod, vorangetrieben. Am 29. September 1949 meldete die Nachrichtenagentur TASS, ein Kernsprengsatz sei erfolgreich getestet worden. (Quelle: Wolfgang Kötter, Freitag, Nr. 39, 17. 09 2004)
Da Stalin die Bombe so schnell wie möglich wollte, beachtete niemand den unverhältnismäßig hohen Aufwand für Material, Geld und Ressourcen. In der geforderten Menge konnten diese nur mit Hilfe von Zwangsarbeit gewonnen werden. Die Ressourcen fehlten dem Land außerdem beim Wiederaufbau nach dem Krieg.
Mit der Atomindustrie breiteten sich das Projekt, und damit auch die Verbindung von Wissenschaft und Zwangsarbeit, schnell über den europäischen Teil der Sowjetunion aus. Da die Entwicklung der Bombe die gesamte Zeit über ein sehr sensibles Projekt war, entstanden ganze Geheimstädte, darunter auch Arsamas-16 (heute Sarow). Die Städte lagen tief im Innern der Sowjetunion, um sie gegen Angriff und Spionage zu schützen. Arsamas-16 selbst wurde unweit eines Arbeitslagers gegründet. Mit Hilfe von Zwangsarbeitern baute man in kurzer Zeit die gesamte Infrastruktur auf, so zum Beispiel das Konstruktionsbüro-11, in dem man die Experimentalphysiker sammelte. In Arsamas-16 lebten die Forscher auf einem 250 qkm von Stacheldraht umzäunten Gelände unter strengem Ausgangsverbot. Sie wurden bewacht und überwacht: Das Atomprojekt bediente sich einer ungeheuren Masse von Zwangsarbeitern, Männern und Frauen. Es wird geschätzt, dass in der Atomindustrie insgesamt zwischen 300.000 und 460.000 Menschen beschäftigt wurden, etwa drei Viertel davon in den Minen – doch auch in der Konstruktion, in der Produktion und in der Forschung. (Quelle: Andreas Heinemann-Grüder: Die erste sowjetische Atombombe, Münster 1992)
Bearbeitungsstand: September 2007
Siehe auch: KURTSCHATOW Igor