Atomwaffen A-Z

Hanau-Erlensee

ehem. Atomwaffenstandort Deutschland

Das ehemalige US-Sondermunitionslager Hanau-Erlensee (US Site #5) war das einzig bekannte Doppellager [Lager 1: (50°09'44“N, 08°56'39“O), Lager 2: (50°09'45“N, 08°56'57“O)] in Deutschland. Es lag ca. 4 km nordöstlich von der Stadtmitte Hanaus in Hessen. Zu unterschiedlichen Zeiten waren dort Atomsprengköpfe für das Waffensystem Honest John sowie Atomgranaten für die Rohrartillerie gelagert.

Ab 1976 lagerten hier auch thermonukleare Sprengköpfe für die Kurzstreckenrakete Lance. Dabei handelte es sich um den Nukleargefechtskopf W-70, der über eine variable Sprengleistung von 1-100 Kilotonnen (KT) verfügt:

Version Mod.0: 1.000 t
Version Mod.1: 10.000 t
Version Mod.2: 100.000 t
Version Mod.3: 750 t
Version Mod.4: 1.250 t (LL)

In den Jahren 1969/1970 erfolgte die Verlegung von Atomminen aus den Depots nahe der Grenze zur DDR und zur Tschechoslowakei in den weiter westlich gelegenen amerikanischen Verantwortungsbereich. Dabei handelte es sich um mehr als 200 ADMs, die bis zu ihrem entgültigen Abzug in die USA (bis 1984) in Hanau, Aschaffenburg, Darmstadt-Breitefeld, Dexheim, Eschborn, Ettlingen auf dem Militärflugplatz Kornwestheim und Wildflecken eingelagert wurden. Über die genauen Stückzahlen sind bis heute keine Daten zugänglich. (LL)

Ein vor Ort tätiger Zeitzeuge beschreibt die damalige Situation: " ... Nachdem wir die Wachen davon in Kenntnis gesetzt hatten, dass wir den Sperrbereich betreten würden, fuhren wir weiter zu dem ersten Bunker. Wir entriegelten das Tor und rollten es soweit zurück, das wir hindurch kamen. Als ich erkannte, was in diesem Bunker lag, begannen meine Knie zu zittern; es war ein Gefühl, das ich bis dahin nicht kannte. Der Bunker war komplett voll gestellt mit ordentlichen Reihen von Magazinen mit nuklearer Munition: 8" und 155mm Artilleriegranaten, nuklearer Sprengköpfe für Honest John, und Atomic Demolition Munition. Alle Artilleriegranaten waren mit dem PAL Gerät ausgestattet (Permissive action link), welches ein zünden bzw. verschießen ohne Erlaubnis verhinderte. Allerdings waren die Magazine bereits für den Verschuss vorbereitet, es fehlte lediglich noch der Zünder. Ich habe keine Ahnung wie viele davon in diesen Bunkern lagen. Ich war erschüttert von der enormen Zerstörungskraft, die hier lagerte. Der Gedanke der mir, der ich bevor ich zur Army kam vier jahrelang Physik gelehrt hatte in diesem Moment durch den Kopf schoss war: Heilige Scheiße, hier drinnen ist genügend um die Erde aus ihrer Umlaufbahn zu sprengen".
Die NATO Site #5 wurde bereits 1986 aufgegeben.

Bearbeitungsstand: Januar 2012

Weitere Informationen über Atomwaffenstandorte in Deutschland

Quellen:

Bald, Politik der Verantwortung, S. 121

Entwicklungsgesellschaft Fulda-GAP e.V. (EFG e.V.)

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