Emu Field
Atomtestgelände, Großbritannien
Nachdem das Vereinigte Königreich 1952 seine ersten Atomwaffen vor der Westküste Australiens detoniert hatte, war man bestrebt, die neuen Modelle auch an Land zu testen. Im Oktober 1953 ließen die Briten ihre zwei „Totem” Atombomben bei Emu Field explodieren und setzten damit die Lokalbevölkerung großer Mengen an Radioaktivität aus.
Hintergrund
Für die britischen Atomtests stellte die australische Regierung eine flache Hochebene namens Emu Field inmitten der Großen Victoria Wüste, im Süden Australiens zur Verfügung. Wegen eines Mangels an waffentauglichem Plutonium-239 versuchte das britische Militär, Atomsprengköpfe mit einem höheren Anteil an Plutonium-240 zu füllen. Zwar ist dieses günstiger und einfacher herzustellen als Plutonium-239, aber anfälliger für spontane Kernspaltung, so dass das Risiko einer unkontrollierten Kettenreaktion erhöht ist. Das Ziel der „Totem”-Versuche war, die zulässige Höchstmenge an Plutonium-240 in einer Atomsprengladung zu bestimmen. Eine Einwilligung in die Tests durch die indigenen Bewohner der Region, wie der Pitjantjatjara, Tjarutja und Kokatha Stämme, wurde nicht ersucht.
Am 15.Oktober 1953 wurde die Atombombe „Totem-1” über Emu Field gesprengt. Dabei entstand eine Wolke aus radioaktivem Staub, die bis zu 4.500 m hoch in den Himmel reichte. Diese Wolke wehte als „schwarzer Nebel” nach Osten und setzte die Bevölkerung der umliegenden Orte Coober Pedy, Twelve Mile, Coffin Hill, Ernabella, Kenmore Park, Granite Downs und Mabel Creek hohen Dosen ionisierender Strahlung aus. Als die radioaktive Wolke drei Tage später die australische Küste nahe Townsville erreichte, wurde in Emu Field mit „Totem-2” bereits die zweite Atombombe gesprengt, die diesmal eine 8.500 m hohe Wolke verursachte, die noch in 500 km Entfernung registriert werden konnte. Nach den Totem-Versuchen wurde Emu Field von der britischen Armee verlassen. Nachfolgende Atomversuche wurden auf den Montebello Islands und auf dem Testgelände in Maralinga durchgeführt.
Folgen für Umwelt und Gesundheit
Die Atomexplosionen von Emu Field verseuchten die Wohngebiete der australischen Aborigines und hatten für diese besonders gefährdete Bevölkerung konkrete medizinische, psychologische und soziale Folgen. 1985 wurde eine Königliche Kommission einberufen, die die Auswirkungen der britischen Atomversuche in Australien untersuchen sollte. Im Abschlussbericht wurde festgestellt, dass Totem-1 bewusst unter solchen Windbedingungen gesprengt wurde, die unzumutbare Mengen an radioaktivem Niederschlag verursachen würden und dabei keine Rücksicht auf die „Downwinder” genommen wurde – die Menschen, die in Windrichtung des Testgeländes lebten. Die von der Armee durchgeführten Sicherheitsmaßnahmen wurden von der Komission als unzureichend erachtet. Der radioaktive Niederschlag, der in bewohnten Gebieten gemessen wurde, überstieg jegliche Grenzwerte und führte zu einer hohen radioaktiven Exposition der Aborigines.
Mindestens 45 Menschen aus dem Stamm der Yankunytjatjara zeigten Symptome der akuten Strahlenkrankheit (Erbrechen, abfallende Haut, blutige Durchfälle, Kopfschmerzen), mehr als die Hälfte verstarben akut. Ähnliche Auswirkungen des „schwarzen Nebels” wurden auch vom Stamm der Kupa Piti Kunga Tjuta gemeldet. Die Gesamtzahl an Krebs-Toten in der australischen Bevölkerung aufgrund britischer Atomwaffentests wurde in einer Studie auf 35 geschätzt - allerdings wurden in dieser Studie die zwei Gruppen nicht berücksichtigt, die am stärksten exponiert waren: die Aborigines und das Personal, welches direkt an den Tests beteiligt war.
Andere Faktoren die bei solchen statistischen Betrachtungen oft außer Acht gelassen werden sind die höhere Empfindlichkeit von Kindern gegenüber ionisierender Strahlung und der schlechte Gesundheitszustand, sowie die charakteristische Lebensweise der australischen Ureinwohner: Der Mangel an Kleidung und festem Schuhwerk, ihre typische Art an ungeschützten Orten zu kochen und zu essen und eine Ernährung, die anfällig für die Bioakkumulation von Radioaktivität ist, führen in dieser Population allesamt zu einer weitaus größeren Anfälligkeit für Radioaktivität.
Ausblick
Atomwaffentests wurden auf australischem Boden bis 1963 fortgeführt. Die Auswirkungen der radioaktiven Verseuchung großer Landstriche durch diese Tests werden nie abschließend ermittelt werden können. Die Königliche Kommission stellte fest, dass keine aussagekräftigen epidemiologischen Studien zu den Auswirkungen auf das Testpersonal, die Aborigines und die australische Bevölkerung durchgeführt wurden und dass es wenig Aussicht auf die Durchführung solcher Studien gibt. Das Leid dieser Menschen wird bis heute von der britischen Regierung ignoriert. Dabei handelt es sich bei ihnen, genau wie bei allen Opfern von Atombombenexplosionen weltweit, um Hibakusha. Sie dürfen nicht vergessen werden.
Bearbeitungsstand: April 2014
Quelle:
IPPNW: Hibakusha Weltweit, Ausstellung, 2014