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Zweite AVV-Staatenkonferenz erreicht wichtige Ergebnisse

29.12.2023

Die zweite Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) ist erfolgreich zu Ende gegangen. In ihrer Abschlusserklärung betonen die Staaten, dass das Konzept der nuklearen Abschreckung ein gravierendes Sicherheitsproblem für die Menschheit ist. In wichtigen Fragen kamen sie einen großen Schritt weiter.

Insgesamt 94 Länder nahmen als Vertragsstaaten oder Beobachter an der Konferenz zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag (AVV / TPNW) vom 27. November bis 1. Dezember 2023 in New York teil. Hinzu kamen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von ICAN-Partnerorganisationen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Betroffene von Atomwaffentests und -einsätzen.

Es war die zweite Staatenkonferenz (MSP) des noch jungen Vertrages. Erstmals hatten sich die Staaten im vergangenen Jahr in Wien getroffen. Nach einer intensiven und bewegenden Woche verabschiedete die zweite Konferenz in New York nun eine politische Erklärung und ein Paket an Beschlüssen.

Bundesregierung kündigt konkrete Unterstützung an

Deutschland war einer von nur drei NATO-Staaten, die eine offizielle Delegation als Beobachter nach New York schickten. Die Bundesregierung zeigte so – gegen den Willen von Teilen der FDP – dass sie den AVV als wichtiges völkerrechtliches Instrument anerkennt.

In ihrem Redebeitrag bei der Konferenz am 29. November 2023 betonte die deutsche Vertreterin Susanne Riegraf: „Wir beabsichtigen, die konkrete Projektarbeit zu Opferhilfe und Umweltsanierung zu unterstützen“. Diese Mitarbeit zu den zentralen Artikeln 6 und 7 des AVV hatte die deutsche Zivilgesellschaft gefordert. Ihre Umsetzung werden wir in den kommenden Monaten kritisch begleiten.

Versuch der Instrumentalisierung?

Die deutsche Vertreterin nutzte ihre Rede auch, um geopolitische Narrative zu vertreten. Insbesondere forderte sie von den AVV-Staaten, „Russland als Haupthindernis für Abrüstungsbemühungen“ zu benennen. Die nukleare Abschreckung diene den nationalen Sicherheitsinteressen Deutschlands, ein Beitritt zum Atomwaffenverbot sei daher ausgeschlossen. Man dürfe nicht einen Standard auf alle Kernwaffenstaaten anwenden, sondern müsse differenzieren, so Riegraf. Damit versuchte die Bundesregierung, das Festhalten der NATO-Staaten an der Drohung mit Atomwaffen zu rechtfertigen und gleichzeitig Abrüstungsschritte von anderen einzufordern. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten, dass dieser Versuch der Instrumentalisierung auf wenig Verständnis stieß.

Atomwaffen widersprechen “den legitimen Sicherheitsinteressen der Menschheit“

In der Abschlusserklärung wählten die AVV-Staaten umso klarere Worte: „Wir verurteilen unmissverständlich alle nuklearen Drohungen, ob explizit oder implizit und ungeachtet der Umstände. Wir lehnen jeden Versuch ab, nukleare Rhetorik zu normalisieren und widersetzen uns der Idee eines so genannten „verantwortungsvollen“ Verhaltens in Bezug auf Atomwaffen. Die Drohung mit Massenvernichtung widerspricht den legitimen Sicherheitsinteressen der gesamten Menschheit.“

Einer der Beschlüsse der Konferenz (Beschluss 5) bezieht sich konkret auf das Konzept der nuklearen Abschreckung: Die Vertragsstaaten beauftragten eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Österreich damit, die Risiken und Auswirkungen der nuklearen Abschreckung zu untersuchen. Eine informierte Debatte über dieses Thema ist den Unterstützer*innen des AVV sehr wichtig, denn bislang stützt sich ihrer Ansicht nach ein großer Teil der Argumente für die nukleare Abschreckung auf unbelegte Annahmen. 

Wissenschaftliche Begleitung für faktenbasierte Politik

Der wissenschaftliche Beirat des AVV wird weitere Erkenntnisse erarbeiten, um Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger bestmöglich zu informieren. Es ist eine große Besonderheit, dass die Staaten eines völkerrechtlichen Vertrages so großen Wert auf eine gewissenhafte wissenschaftliche Begleitung legen: „Eine auf Fakten basierende Politik ... muss bei allen Entscheidungen und Maßnahmen zur Abschaffung von Kernwaffen im Mittelpunkt stehen“, heißt es in der Abschlusserklärung (Punkt 6).

Die zielstrebige Arbeit der 2022 in Wien gebildeten Arbeitsgruppen zu Themen wie der allgemeinen Anerkennung des AVV (Artikel 12), der Verifikation von nuklearen Abrüstungsschritten (Artikel 4) und der Unter­stützung von Betroffenen sowie der Umweltsanierung (Artikel 6 und 7) wird fortgesetzt. Bei der nächsten Staatenkonferenz 2025 soll ein Treuhandfonds zur Unterstützung betroffener Staaten eingerichtet werden.

Forderungen von Betroffenen werden gehört

In mehreren Reden kamen jene Menschen zu Wort, die vom Einsatz, den Tests und der Entwicklung von Atomwaffen betroffen sind. Sie forderten eine Anerkennung der Schäden, die ihnen zugefügt wurden. Auch zivilgesellschaftliche Stimmen aus dem ICAN-Bündnis brachten sich mit Redebeiträgen ein. Im Rahmenprogramm der Konferenz fanden mehr als 65 Veranstaltungen statt, darunter Kunstausstellungen, Konzerte, Podiumsdiskussionen, Preisverleihungen und vieles mehr.

Die zweite AVV-Staatenkonferenz war somit erneut geprägt durch eine fokussierte und wertschätzende Zusammenarbeit und die enge Einbindung von Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Betroffenen in die Verhandlungen. Die atomwaffenfreien Staaten gehen weiter voran auf dem mühsamen Weg zu einer Welt, in der alle Atomwaffen gleichermaßen geächtet sind. Das dritte Treffen der Vertragsstaaten soll vom 3. bis 7. März 2025 in New York stattfinden. sb

Die originale Version dieses Artikels erschien bei Ohne Rüstung Leben im Dezember 2023.

Alle Konferenzdokumente und Statements der Staaten sowie Zivilgesellschaft sind in Originalsprache bei Reaching Critical Will zu finden.

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