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Ziehen die USA den Abzug der Atomwaffen aus der Türkei in Erwägung?

01.12.2017

Die sich verschlechternden Beziehungen zwischen den USA und der Türkei haben Diskussionen darüber entfacht, ob die USA ihre Atomwaffen aus der Türkei – oder aus ganz Europa – abziehen sollten. Laut Schätzungen lagern die USA bis zu 50 Atombomben vom Typ B61 auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden der Türkei – dies entspricht einem Drittel der geschätzt 150 US-Atomwaffen in Europa. Daneben stellt der Stützpunkt eine zentrale Basis für die US-Luftangriffe auf den so genannten Islamischen Staat dar.

Ein Bericht des US Think Tank Stimson Center hebt die gestiegenen Risiken der Lagerung der US-Atomwaffen in Incirlik seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 hervor. Er kommt zu dem Schluss, dass fraglich sei, ob die USA während eines anhaltenden Konfliktes die Kontrolle über die Atomwaffen behaupten könnte. Gleich nach dem Putschversuch nahm die türkische Regierung mehrere hochrangige Militäroffiziere in Incirlik fest und stellte dem Stützpunkt für fast eine Woche den Strom ab. Seitdem greift der türkische Präsident Erdoğan noch härter gegen oppositionelle Gruppen und unabhängige Medien durch. Daneben nahm die Türkei mehrere ausländische BürgerInnen fest, denen vorgeworfen wurde, den Putschversuch unterstützt zu haben oder TerroristInnen zu sein.

Auch andere NATO-Mitglieder haben angespannte Beziehungen zur Türkei. Deutschland begann im Juli 2017 mit dem Abzug der deutschen Truppen vom Stützpunkt Incirlik, nachdem die Türkei Bundestagsabgeordneten den Besuch des Stützpunktes verboten hatte. Neben der Instabilität in der Türkei wird auch argumentiert, dass aufgrund der Nähe zu Syrien und dem Irak die Atomwaffen aus der Türkei abgezogen werden sollten. Ein Abzug könnte bedeuten, dass die Atomwaffen entweder in einem anderen europäischen Land stationiert oder zurück in die USA verlegt werden. Bislang gibt es von offizieller Seite von USA oder NATO allerdings keine Stimmen, die einen Abzug aus der Türkei ernsthaft in Erwägung ziehen. Die NATO könnte befürchten, dass ein Abzug aus Incirlik Diskussionen über die nukleare Teilhabe in den anderen Staaten, in denen Atomwaffen gelagert werden, heraufbeschwören könnte. In Deutschland, Belgien, Niederlande und Italien gibt es in der Bevölkerung Mehrheiten gegen die Stationierung von US-Atomwaffen in diesen Ländern.

Steve Andreasen, ehemaliger Mitarbeiter im Weißen Haus unter der Clinton-Regierung argumentierte, dass die Aufrechterhaltung der nuklearen Teilhabe der NATO mit verstärkten finanziellen und politischen Kosten und einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden sei. Es gehe nicht nur darum, die Atomwaffen an einen anderen, sichereren Ort in Europa zu verlegen, sondern sie ganz abzuziehen. Auch der Bericht des Stimson Centers spricht sich für den Abzug aller Atomwaffen vom Typ B61 aus Europa aus. So werden neben den Sicherheitsrisiken auch die immensen Kosten hervorgehoben, die für die Modernisierung der veralteten Atomwaffen aufgebracht werden. rf (Quellen: Arms Control Association, Stimson Center).
 

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