Ein großflächiger Einsatz nuklearer Waffen durch mehrere Staaten könnte wahrscheinlich katastrophale Auswirkungen auf das globale Klima haben. Diese Möglichkeit, die in einem im Dezember 1983 von einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern veröffentlichten Papier vorgebracht wurde, ist als Theorie vom „Nuklearer Winter" bekannt geworden: Ein großer nuklearer Schlagabtausch führt zu ausgedehnten Bränden von Städten und Wäldern. Unmengen von Staub und Rauch gelangen in die Atmosphäre und bilden eine lastende, dunkle Decke. Die Sonne schimmert höchstens noch als undeutliche, helle Scheibe durch die dichte Rauchdecke. Es wird kalt. Die einschneidenden Temperaturveränderungen führen zu großräumigen Luftbewegungen. Eisstürme verwüsten in überlangen Nächten das Land. Zum unablässigen radioaktiven Niederschlag entsteht giftiger Smog. Pflanzen erfrieren, die Landwirtschaft steht still.
Die Ernährungslage wird weltweit prekär, denn die Rauch- und Staubdecke verteilt sich allmählich über den ganzen Planeten. Die Hoffnung auf Nahrungsmittelimporte fällt zusammen. Die Erdkruste vereist bis zu einem Meter Tiefe. Die Wasserversorgung ist gefährdet.
So geht es über Monate. Wer bisher nicht durch Verletzungen, Verbrennungen oder Verstrahlungen umkam, dem droht jetzt der Tod durch Seuchen und Verhungern. Die Zahl der Opfer wird sich dadurch mehr als verdoppeln.
Nach Monaten lichtet sich die Decke. Jetzt ist die Welt plötzlich der erhöhten Ultraviolett-Strahlung ausgesetzt. Die Stickoxyde haben die Ozonschicht zerfressen. Diejenigen landwirtschaftlichen Pflanzen, die immer noch überlebt haben, werden jetzt in ihrem Wachstum weiter beeinträchtigt.
Die Sonne scheint auf eine Erde, die nie mehr sein wird wie sie war. Insekten werden überleben; sie sind gegenüber radioaktiver Strahlung und Temperaturschwankungen widerstandsfähiger. Sie werden unter den Überlebenden ausgerottet geglaubte Seuchen verbreiten.
Den noch lebenden Menschen drohen Krankheiten wie Tuberkulose, Cholera, Pest, Diphtherie, Typhus oder andere Epidemien. Strahlenkrebs und strahlenbedingte Erbschäden sind weitere Folgen für Menschen, die in dieser biologisch kaputten und sozial zerrissenen Welt weiterleben müssen.
Die heute weltweit eingelagerten Atomwaffen würden mehr als genügen, um jedes Leben auf unserem Planeten auszulöschen.
Neuere Studien von 2006 und 2008 verweisen darauf, dass selbst ein regional begrenzter Atomkrieg unmittelbar das Leben von 10 Millionen von Menschen gefährden könnte und unvorhersehbare klimatische Veränderungen mit sich bringen würde. Die auf einen atomaren Schlagabtausch folgenden Hungersnöte könnten einer Milliarde Menschen das Leben kosten.
2006 hat eine Gruppe von Klimatologen auch für regionale Konflikte klimatische Szenarien durchgespielt. Zum Beispiel für einen Krieg zwischen Indien und Pakistan, bei dem jedes Land umgerechnet 50 Hiroshima-Bomben zünden würde. Die Konsequenzen wären auch hier noch beträchtlich: In diesem Fall würden mehr als fünf Megatonnen schwarzen Kohlenstoffes die Atmosphäre verdunkeln und die Temperatur - global - um 1,25 Grad fallen lassen.
2008 wurden diese Erkenntnisse von einer weiteren Wissenschaftlergruppe nicht nur bestätigt. Das Modell bezog sich ebenfalls auf die hypothetische Zündung von zwei Mal 50 Hiroshima-Bomben, nur stand diesmal nicht die Temperatur, sondern die Chemie der Atmosphäre im Mittelpunkt. Die Stratosphäre würde sich durch den Eintrag von Ruß stark aufheizen und Reaktionen von Stickoxiden in Gang setzen. Letztere sind als Ozonkiller bekannt, dementsprechend hätte das einen regelrechten Kahlschlag in der Ozonschicht der Stratosphäre zur Folge. Der Verlust betrüge global ein Fünftel, in mittleren Breiten zwischen 25 bis 40 Prozent, im Norden wären gar zwei Drittel der schützenden Moleküle zerstört.
In einem neuen Bericht der IPPNW (Nuclear Famine Report) 2022 berechneten Forscher*innen von Rutgers Universität die jeweilige Rußausbreitung für sechs Kriegsszenarien - fünf „begrenzte“ Atomkriege zwischen Indien und Pakistan und einen großen Krieg zwischen den USA und Russland – auf der Grundlage der Größe der Atomwaffenarsenale der einzelnen Länder.