Eine Gruppe von Staaten brachte die tiefe Besorgnis der gesamten Staatengemeinschaft über die katastrophalen humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes zum ersten Mal 2010 bei der Konferenz zum Nichtverbreitungsvertrag formell zum Ausdruck. Im Schlussdokument wurde diese Besorgnis festgeschrieben:
„Die Konferenz bringt ihre tiefe Besorgnis über die katastrophalen humanitären Folgen eines jeden Einsatzes von Kernwaffen zum Ausdruck und bekräftigt die Notwendigkeit, dass alle Staaten zu jeder Zeit das geltende Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts, einhalten müssen.“
Seit 2012 schließen sich immer mehr Staaten dieser Gruppe von Staaten an. In einer ersten Erklärung vor der Atomwaffenkonferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Mai 2012 haben 16 Staaten u.a. erklärt:
„Es ist im Interesse des Überlebens der Menschheit, dass Atomwaffen unter keinen Umständen wieder eingesetzt werden.“
In sechs darauffolgenden Erklärungen wuchs die Gruppe der unterstützenden Staaten immer weiter an und erreichte zuletzt während der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags am 28. April 2015 in New York 159 Unterstützerstaaten – nie haben sich so viele Staaten auf ein gemeinsames, substanzielles Statement geeinigt.
Deutschland jedoch schloss sich diesen Erklärungen nicht an. Begründet wurde diese Haltung durch die Bundesregierung in einer „Kleinen Anfrage“ der Grünen mit dem Verweis, dass die Formulierung „unter keinen Umständen“ im Widerspruch zur NATO-Abschreckungsdoktrin stehe:
„Die Bundesregierung teilt grundsätzlich die der Gemeinsamen Erklärung zugrundeliegende Besorgnis über die humanitären Konsequenzen eines Einsatzes von Nuklearwaffen. In der Erklärung werden Nuklearwaffen jedoch per se und nicht nur ihrem Einsatz katastrophale Wirkungen zugeschrieben. Damit wird bereits der Besitz von Nuklearwaffen zur Abschreckung einer Aggression in Frage gestellt. Zudem wird der Einsatz von Nuklearwaffen unter allen Umständen (under any circumstances) abgelehnt.“
Die Konferenzen zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen
Seit 2013 fanden drei Regierungskonferenzen zum Thema "Humanitäre Folgen von Atomwaffen" statt: in Norwegen (Oslo, März 2013), Mexiko (Nayarit, Februar 2014) und Österreich (Wien, Dezember 2014). Die Schlussfolgerungen aus diesen Konferenzen sind wie folgt:
- Im Falle einer Atomwaffendetonation ist keine angemessene Hilfeleistung möglich. Die Auswirkungen würden alle Staaten betreffen.
- Angesichts der humanitären Auswirkungen ist ein neuer diplomatischer Prozess nötig, um ein rechtlich bindendes Instrument zu verhandeln, das eine internationale Norm zur Ächtung von Atomwaffen etabliert.
- Als einzige Massenvernichtungswaffen unterliegen Atomwaffen noch keinem expliziten Verbot. Daher hat sich die österreichische Regierung dazu verpflichtet, diese Lücke gemeinsam mit allen relevanten Akteuren zu schließen.
Vor der ersten Staatenkonferenz der Vertragsparteien zum Atomwaffenverbotsvertrag im Juni 2022 veranstaltete Österreich erneut eine Konferenz über die humanitären Folgen von Atomwaffen.
Wichtig bei dieser Initiative war der zivilgesellschaftliche Beitrag, mit dem Überlebende der Atomwaffeneinsätze und -tests bis in die 3. Generation von den Folgen berichteten. Darüber hinaus trugen internationale Hilfsorganisationen und andere NGOs zum Wissen bei, u.a. mit wissenschaftlichen Studien zu den Folgen und Risiken von Atomwaffen.
Links zu den offiziellen Webseiten:
1. Konferenz zur Humanitarian Impact of Nuclear Weapons (HINW), Oslo, Dokumente, Statements, Präsentationen: 04.-05.03.2013
Chair’s summary, 2. Konferenz zur HINW, Nayarit, Mexiko, 14.02.2014 (Die offizielle Webseite der HINW-Konferenz in Mexiko ist nicht mehr online)
2014 Wiener Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen, (Deutsch), 08.-09.12.2014
2022 Wiener Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen, (Deutsch), 20.06.2022
Humanitäre Verpflichtung (Pledge)
Österreich lud am Ende der Wiener Konferenz andere Staaten dazu ein, sich einer Erklärung unter dem Titel „Austrian Pledge“ anzuschließen. Bis zum 18. Mai 2015 hatte sich weltweit bereits eine Mehrheit der Staaten (über 100, Tendenz steigend) der Erklärung angeschlossen, worauf eine Umbenennung der Erklärung zu „Humanitarian Pledge“ erfolgte.
Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich:
„...mit allen relevanten Akteuren, Staaten, internationalen Organisationen, der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, Abgeordneten und Zivilgesellschaft, zusammen zu arbeiten, um die Stigmatisierung, das Verbot und die Eliminierung von Atomwaffen angesichts ihrer inakzeptablen humanitären Folgen und einhergehenden Risiken voranzubringen.“
Nach dem Scheitern der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (NPT) und der damit einhergehenden fehlenden Einigung über einen Ächtungsvertrag, stellte die Unterstützung des „Humanitarian Pledge“ einen dringend benötigten Hoffnungsschimmer zur Beschleunigung und zum Vorantreiben der atomaren Abrüstung dar. Dieser bestätigte sich, als am 7. Juli 2017 in den Vereinten Nationen in New York der Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen wurde, dessen Verhandlungsprozess unter anderem von der "Humanitären Initiative" eingeleitet wurde.
Die humanitäre Dimension soll demzufolge den Kern des Atomwaffendiskurses bilden. Statt sicherheitspolitischer Theorie werden die tatsächlichen Auswirkungen in den Fokus gerückt. Diese Folgen sind unter humanitären Völkerrecht inakzeptabel; daher müssen die Waffen – wie bereits alle anderen Massenvernichtungswaffen – geächtet werden.
Teilnehmende Staaten der „Humanitären Initiative“
Afghanistan, Algerien, Andorra, Angola, Antigua und Barbuda, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Ägypten, Äquatorialguinea, Äthiopien, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados, Belarus, Belize, Benin, Bolivien, Bosnien-Herzegowina, Botswana, Brasilien, Brunei, Burkina Faso, Burundi, Chile, Cook Inseln, Costa Rica, Dänemark, Djibuti, Dominica, Dominikanische Republik, Ecuador, Elfenbeinküste, El Salvador, Eritrea, Fidschi, Finnland, Gabun, Gambia, Georgien, Ghana, Grenada, Guatemala, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Haiti, Honduras, Indonesien, Iran, Irak, Irland, Island, Jamaika, Japan, Jemen, Jordan, Kambodscha, Kamerun, Kap Verde, Kasachstan, Katar, Kenia, Kirgisien, Kiribati Kolumbien, DR Kongo, Kongo-Brazzaville, Komoren, Kuba, Kuwait, Lesotho, Libanon, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Malediven, Mali, Malta, Marokko, Marshallinseln, Mauretanien, Mauritius, Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Mexiko, Föderierte Staaten von Mikronesien, Republik Moldau, Mongolei, Montenegro, Mosambik, Myanmar, Namibia, Nauru, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niger, Nigeria, Niue, Norwegen, Oman, Österreich, Palau, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Ruanda, Salomonen, Sambia, Samoa, San Marino, Sao Tome und Principe, Saudi-Arabien, Staat Palästina, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien, Seychellen, Sierra Leone, Singapur, Somalia, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent/Grenadinen, Sri Lanka, Sudan, Surinam, Swasiland, Südafrika, Republik Südsudan, Tadschikistan, Tansania, Thailand, Timor-Leste, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschad, Tunesien, Tuvalu, Uganda, Ukraine, Uruguay, Vanuatu, Vatikanstadt, Venezuela, Vereinte Arabische Emirate, Vietnam, Volksrepublik Laos, Zentral-Afrikanische Republik, Zimbabwe, Zypern.
Bearbeitungsstand: Februar 2024
Quellen:
Kmentt A: The Humanitarian Initiative and the TPNW, Toda Institute, Februar 2021
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Agnes Brugger et al: Humanitäre Auswirkungen von Atomwaffen und die nukleare Teilhabe Deutschlands, Drucksache 17/14822, 11.10.2013
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