20.07.2019
Am 16.04.2019 veröffentlichte der kanadische Senator Joseph Day in einem NATO-Bericht zum ersten Mal jene sechs europäischen Militärstützpunkte in Europa, an denen derzeit US-amerikanische Atombomben stationiert sind. Die Lagerung von Atomwaffen an diesen sechs Stützpunkten galt bislang als „offenes Geheimnis“, da die Bevölkerung durchaus darüber Bescheid weiß, die Informationen jedoch nie von der NATO bzw. den nationalen Regierungen wegen Geheimhaltung bestätigt worden sind. Nicht nur die erste „offizielle“ Bekanntgabe dieser Orte sorgte für Aufsehen, sondern vor allem die überarbeitete Version dieses Dokuments, die einen knappen Monat später veröffentlicht wurde. Diese führte zu einer breiten, öffentlichen Diskussion, denn aus dieser Version wurde der Paragraph, der die Lagerorte erwähnte, komplett gestrichen.
Aus dem Dokument „A new era for Nuclear Deterrence? Modernisation, Arms Control, and Allied Nuclear Forces“, ging hervor, dass 150 US-amerikanische Atomwaffen des Typs B61 derzeit in den folgenden Militärbasen gelagert sind: Kleine Brogel (Belgien), Büchel (Deutschland), Aviano und Ghedi-Torre (Italien), Volkel (Niederlande) und Incirlik (Türkei). Im Ernstfall und auf Anweisung des US-amerikanischen Präsidenten, wären die jeweiligen Armeen darauf vorbereitet, diese einzusetzen.
Senator Day ist Mitglied des Verteidigungs- und Sicherheitsausschusses der Parlamentarischen Versammlung der NATO. Das Dokument sollte der Frühjahrstagung der parlamentarischen Versammlung der NATO am 01.06.2019 als Arbeitsgrundlage dienen, und über generelle Aspekte zur nuklearen Infrastruktur der NATO und der bevorstehenden Modernisierung informieren. Im Zuge der erneuten Veröffentlichung dieses Dokuments am 11.07.2019 distanzierte sich die NATO klar von dem von Day veröffentlichten Dokument und betonte, dass sie keine Details über ihre nukleare Aufstellung bekannt gäbe. Es handle sich bei der ersten Version nicht um ein offizielles Dokument, sondern lediglich um einen Entwurf, der die Bekanntgabe der Lagerorte versehentlich enthielt.
In einem Interview Mitte Juli, kurz nach der erneuten Publikation, machte Senator Day hingegen sehr deutlich, dass die Erwähnung der Lagerorte kein Versehen war. Bei den Quellen, auf denen sein Bericht aufbaute, handelte es sich keineswegs um vertrauliche Informationen, sondern vielmehr um öffentlich zugängliche Quellen. Außerdem betonte er seine Absicht mit diesem Dokument nicht nur die Abgeordneten, sondern auch die Öffentlichkeit, über die aktuelle Situation der nuklearen Rüstung aufzuklären. Laut Day wurde der Paragraph zu den Lagerorten letztendlich aber aus dem einfachen Grund aus dem Entwurf gestrichen, dass sich die Lagerorte im Laufe der Zeit ändern könnten.
Laut dem Bundestagsabgeordneten Alexander S. Neu (Die Linke), zeigte die Löschung dieses Paragraphen im endgültigen Dokument jedoch lediglich, dass die NATO sich weiterhin beharrlich dagegen wehrt, die Lagerung von Atomwaffen zuzugeben und ihr das Thema sichtlich unangenehm sei. Darüber hinaus wurden im Zuge der wiederholten Publikation die Forderungen nach einer öffentlichen Diskussion zur atomaren Infrastruktur in Europa laut. Die Modernisierung der nuklearen Rüstung sei der ideale Zeitpunkt in diesem Bereich die Weichen neu zu stellen und sich konkret gegen die Modernisierung und somit explizit gegen eine andauernde Stationierung von Atomwaffen in Europa auszusprechen.
Angaben der NATO zufolge, sei diese Modernisierung vor allem aufgrund der derzeitigen „aggressiven“ Haltung Russlands notwendig. Außerdem diene sie als konkrete Erinnerung an die Verpflichtung der USA, für die Sicherheit der europäischen NATO-Mitglieder zu sorgen. Kritiker hingegen sehen in der Modernisierung eine Erweiterung der US-Machtstellung in der NATO. Durch diese dehnt die USA ihren „nuklearen Schirm“ aus, verstärkt die Abhängigkeit der NATO-Staaten und baut ihre Kontrollfunktion aus. kk (Quellen: DeMorgen, BRF, Telepolis, Alternativ-Report, Fraktion „Die Linke“, Global News)
Bild oben: US-General inspiziert Atomwaffenlager in Volkel, NL. Foto: USAF / gemeinfrei
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