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Deutschland lehnt Teilnahme an UN-Verhandlungen ab

10.03.2017

Die Bundesregierung wird den internationalen Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot fernbleiben. Das erklärt das Außenministerium in einem Schreiben an eine Gruppe von Friedensorganisationen. Ab dem 27. März 2017 werden UN-Mitgliedsstaaten in New York über einen Vertrag diskutieren, der die Ächtung und Abschaffung dieser Massenvernichtungswaffen zum Ziel hat.

Die Entscheidung gegen die Teilnahme an den Verhandlungen wurde noch vom ehemaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier getroffen. Bisher hat der neue Außenminister Sigmar Gabriel sich nicht zu der Entscheidung seines Vorgängers geäußert.

Welche Dynamik die Atomwaffen-Verhandlungen bereits auslösen, zeigt ein internes NATO-Papier vom Oktober 2016, in dem die USA ihre Verbündeten eindringlich auffordern, in den Vereinten Nationen gegen einen Verbotsvertrag zu stimmen und sich nicht an den Verhandlungen zu beteiligen. Die US-Regierung befürchtet, dass die nukleare Abschreckung nicht mehr aufrecht erhalten werden könne.

Begründet wird die Haltung unter anderem damit, dass ein Vertrag wirkungslos bleibe, sofern die Atomwaffenstaaten nicht eingebunden sind. Die Befürworter halten die Ächtung der Atomwaffen für einen unabdingbaren Schritt, die Abrüstung hin zu einer atomwaffenfreien Welt voranzubringen – auch, wenn nicht alle Staaten diesen Schritt von Anfang an mitgehen wie bei den Verboten von Bio- und Chemiewaffen.

Die Bundesregierung betont in ihrem Brief, dass sie das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt mit der Zivilgesellschaft teile und erachtet die Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung für dringend erforderlich. Die Bundesregierung sehe jedoch einen Verbotsvertrag als nicht geeignet, um das Ziel zu erreichen. Sie hat zwar an den drei Staatenkonferenzen in 2013 und 2014 teilgenommen, in denen die humanitären Folgen von Atomwaffen Thema war sowie an der UN-Arbeitsgruppe zur nuklearen Abrüstung (OEWG) 2016. Dennoch stimmte Deutschland in der UN-Vollversammlung 2016 gegen die Einberufung einer Verhandlungskonferenz. So lehnt die Bundesregierung eine Teilnahme an der UN-Verhandlungskonferenz ab, weil sie u.a. den Atomwaffensperrvertrag schwächen könne.

ICAN Deutschland reagiert mit Kritik: „Mit ihrem Boykott schadet die Bundesregierung der abrüstungspolitischen Glaubwürdigkeit Deutschlands. Eine atomwaffenfreie Welt, wie sie die Regierung offiziell zum Ziel hat, ist ohne eine Ächtung von Atomwaffen nicht erreichbar. Indem sie sich aus einer für die Weiterentwicklung des Völkerrechts zentralen multilateralen Debatte ausklinkt, gibt sie wichtige und von der Bevölkerung getragene friedenspolitische Werte preis“, sagte Sascha Hach.

In der SPD gibt es anscheinend noch keine Einigkeit darüber, ob die Ablehnung Steinmeiers für die Teilnahme Deutschlands an den UN-Verhandlungen für gut gehalten wird oder nicht. Die Arbeitsgruppe Abrüstung der SPD-Bundestagsfraktion veröffentlichte eine Pressemitteilung am 3. März, in der die drei Mitglieder eine Teilnahme fordern. „Deutschland könnte seine anerkannte vermittelnde Rolle in Verhandlungen zur nuklearen Rüstungskontrolle in diesem Prozess stärken“ so die Arbeitsgruppe.

Auch Vertreter der drei großen Forschungsinstitute auf dem Gebiet Sicherheitspolitik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Hessische Stiftung für Friedens- und Sicherheitspolitik (HSFK) und das Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik (IFSH) haben sich in einem Gastbeitrag in der Zeit am 12. Januar 2017 für eine Teilnahme Deutschlands an den Verhandlungen ausgesprochen, bevor die Entscheidung Steinmeiers bekannt wurde. „Verweigert sich Deutschland hingegen den Verhandlungen, beschädigt dies die Glaubwürdigkeit des deutschen Engagements für nukleare Abrüstung. Gerade im Wahljahr 2017 berge ein Fernbleiben politischen Konfliktstoff. Denn das Ziel einer atomwaffenfreien Welt findet in der Bevölkerung breite politische Zustimmung“ sagen die Autoren Harald Müller, Götz Neuneck und Oliver Meier.

In der ersten kurzen Verhandlungsrunde vom 27.-31. März werden hochrangige RegierungsvertreterInnen zunächst ihre Positionen darlegen und danach gibt es einen Austausch über die möglichen Elemente des Verbotsvertrags, seine Ziele und Grundsätze und was das Verbot mit einschließt. Der Vertrag wird voraussichtlich die Vertragsstaaten verpflichten, die Entwicklung, Produktion, das Testen, den Erwerb, Besitz, die Lagerung, die Weitergabe, die Stationierung und den Einsatz von Atomwaffen sowie die Unterstützung, Finanzierung, Ermunterung oder Anregung dieser Handlungen zu unterlassen.

In der zweiten Runde vom 15. Juni bis 7. Juli 2017 finden die tatsächlichen Verhandlungen statt. Ein erster Vertragstext wird vor der zweiten Runde von der Präsidentin Elayne Whyte erwartet.

Die UN-Vollversammlung hat alle Staaten, die sich an der Verhandlungskonferenz beteiligen wollen, aufgefordert, „stärkste Anstrengungen zu unternehmen, um schnellstmöglich ein rechtsverbindliches Dokument zum Verbot von Nuklearwaffen zu beschließen, das zu ihrer vollständigen Vernichtung führt“. Allerdings ist es nicht jetzt klar, ob der Vertrag 2017 beschlossen wird oder mehr Zeit braucht. Die Verhandlungskonferenz wird zu der 72. Sitzung der UN-Vollversammlung (Beginn im September 2017) einen Tätigkeitsbericht einreichen. Die Vollversammlung wird dann die Fortschritte, die in den Verhandlungen erreicht wurden, beurteilen und über den bestmöglichen Fortgang entscheiden. xh (Quellen: Auswärtiges Amt, ICAN, IPPNW, NATO, SPD-Fraktion, Spiegel online, Zeit)

Bild oben: Präsidentin der UN-Verhandlungskonferenz Botschafterin Elayne Whyte aus Costa Rica. Foto: ICAN

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