Atomwaffen A-Z

Atomwaffenstaaten | USA

Laut dem "Nuclear Notebook" (2023) von Hans Kristensen und Matt Korda enthält das US-Atomwaffenarsenal aktuell 5.5244 Atomsprengköpfe. Davon sind 1.770 "aktiv", also einsatzbereit stationiert - 1.370 auf land- und seegestützten ballistischen Raketen und 300 auf strategischen Bomberbasen in den Vereinigten Staaten, sowie weitere 100 taktische Atombomben in Europa. Etwa 1.940 Sprengköpfe werden als „Reserve“ gelagert und können, wenn nötig, in das "aktive" Arsenal eingebracht werden. 1.536 Sprengköpfe sind momentan für die Abrüstung vorgesehen.    
► mehr in der Tabelle unten    

Die USA gehören zu den offiziell anerkannten Atomwaffenstaaten und sind seit dem Jahr 1970 Mitglied des Atomwaffensperrvertrags, in dem sie sich verpflichtet haben, "in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung" (Artikel VI).    

Sie setzten 1945 in den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki als erster und einziger Staat jemals Atomwaffen ein. Seit Beginn des atomaren Zeitalters trieben sie das weltweite Wettrüsten voran und entwickelten seitdem mehr als 70.000 Atomwaffen in Form von über 65 verschiedenen Typen - von der kleinen Atommine bis zur riesigen Wasserstoffbombe mit mehreren MegatonnenSprengkraft. Im Jahr 1967 erreichten sie mit 31.255 die Höchstzahl von Atomwaffen in ihrem Besitz.Insgesamt haben die USA bisher 1.032 Atomtests durchgeführt, von denen 228 oberirdisch stattfanden. Seit 1992 testen sie Atomwaffen nicht mehr durch Kernwaffenexplosionen, sondern nur noch mit subkritischen oder simulierten Tests im Rahmen des "Stockpile Stewardship Program". Sie unterschrieben am 24. September 1996 den umfassenden Atomteststoppvertrag (CTBT), haben diesen aber bis heute noch nicht ratifiziert.

Atomwaffendoktrin

Anfang Februar 2018 legte die Trump-Administration die neue Nuklearpolitik (Nuclear Posture Review, NPR) der USA vor. Diese NPR beinhaltet das Konzept der "maßgeschneiderten Abschreckung". Dadurch sollen Krieg und Atomwaffeneinsätze durch eine flexiblere Abschreckung verhindert werden. Das Konzept wurde bereits in der Regierungszeit von US-Präsident George W. Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld entwickelt, blieb damals aber lediglich ein Vorschlag. Trumps Doktrin sah folgendes konkret vor:

  • unterschiedliche Atomwaffenträgersysteme, sowie variable Sprengkraft für verschiedene Einsatzszenarien
  • strategische und regionale Raketenabwehrsysteme
  • verbesserte regionale Kriegsführungskapazitäten
  • eine Erweiterung der nuklearen Optionen der USA insbesondere die Anwendung von Atomwaffen gegen strategische Angriffe von nuklearen als auch nicht-nuklearen Staaten.

Viele glaubten, dass Präsident Biden die Atomwaffendoktrin der USA mindestens auf den Obama Linien zurück holen würde, manche plädierten für ein sogenannte Sole-Purpose-Doktrin (Atomwaffen sollen nur einen atomaren Anschlag abschrecken und nicht für andere Zwecke eingesetzt werden). Das ist aber nicht geschehen. In der am 27. Oktober 2022 freigegebene Version des „Nuclear Posture Review“ (NPR) war hingegen diese Aussage: Angesichts neuer Fähigkeiten von „Konkurrenten“ sei der Einsatz von Atomwaffen auch denkbar, wenn diese „den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten und Partnern“ mit konventionellen Mitteln „Schäden auf strategischer Ebene zufügen könnten“. Statt ambitionierter Konzepte für Rüstungskontrolle und Abrüstung stehen im NPR die Sicherstellung und forcierte qualitative Aufrüstung („Modernisierung“) des US-Atomwaffenarsenals, der Trägersystem-Triade sowie des gesamten wissenschaftlich-technischen und industriellen Atomwaffenkomplexes im Vordergrund.

►mehr über die US-Atomdoktrin 2022 lesen

In der "Nuclear Posture Review" (NPR) von ehem. US-Presidenten Präsident Barack Obama, die er im März 2010 vorstellte, spielten Atomwaffen bei der Verteidigung des Landes eine geringere Rolle als in der Bush-Doktrin von 2002. Unter dieser konnten Atomwaffen auch gegen Staaten eingesetzt werden, die keine Atomwaffen besitzen, oder als "präventive" Waffe beim Verdacht auf einen geplanten Angriff mit Massenvernichtungswaffen. Vor und während des Irakkrieges 2003 nutzten die USA dies und drohten mit einem Atomwaffeneinsatz, sollte der Iran die USA mit Massenvernichtungswaffen angreifen.Unter Obama hingegen sollte der Ersteinsatz dieser Waffen für die USA nur noch unter eingeschränkten Bedingungen infrage kommen. Darüber hinaus sollten laut seiner NPR keine neuen Atomsprengköpfe gebaut werden, und der Verzicht auf Atomtests blieb bestehen.

Modernisierung der US-Atomwaffen

Während der Obama-Administration begann eine umfassende Modernisierung des Atomwaffenarsenals sowie des Atomwaffenkomplexes. Die Trump-Administration führt diese Modernisierungspläne fort und baut auf sie auf. Alle Trägersysteme, die atomaren Sprengsätze, die Führungs- und Kommunikationsstruktur und die industrielle Infrastruktur für den Atomwaffenkomplex sollen entweder modernisiert oder ersetzt. Darüber hinaus sollen längerfristig auch nuklear bewaffnete, von U-Booten startbare, Marschflugkörper produziert werden und ein neuer Sprengkopf mit kleinerer Sprengkraft entwickelt werden. Zweiterer solle dann als „sofortige Antwortmöglichkeit“  dienen können. Kritiker*innen befürchten, dass solche Atomwaffen destabilisierend wirken. Geschätzte Kosten für die Modernisierung und den Betrieb des US-Atomwaffenarsenals sowie der unterstützenden Anlagen für den Zeitraum 2019-2028 belaufen sich nach Aussagen des Congressional Budget Office (CBO) auf ca. $494 Milliarden und für die nächsten drei Jahrzehnte auf ca. $3 Billionen.

Die USA modernisieren nach und nach ihr gesamtes Arsenal sowie die zugehörige Atomwaffen-Infrastruktur. Laut dem Haushaltsbüro des US-Kongresses 2017 sollte das Unterfangen über die folgenden zehn Jahre ca. 350 Mrd. US-Dollar kosten. Als erstes wurde der W76-Sprengkopf für die Trident-Raketen erneuert und verbessert. Für das Trident-II-System soll auch eine neue Generation von zwölf U-Booten gebaut, die die alte Ohio-Klasse ersetzen sollen. Die Kosten belaufen sich auf ca. 92 Mrd. US-Dollar. Das erste U-Boot soll 2021 fertig gebaut werden und ab 2031 auf Patrouille gehen.

Unter dem Begriff „Lebensdauerverlängerung“ wird die Betriebsdauer der Minuteman-III-Rakete bis 2030 erweitert. Dabei sollte die Rakete, bis auf die Hülle, komplett neu gebaut werden und 2015 betriebsbereit sein. Derzeit wird mit ersten Forschungen zum Ersatz für die Minuteman-III im Jahr 2030 begonnen, einer neuen Generation von Interkontinentalraketen.

Die B61-Bombe, die auch in Europa unter der nuklearen Teilhabe der NATO stationiert ist, wurde ebenfalls modernisiert. Die neue Bombe (B61-12) ersetzt alle früheren Modelle und soll als lenkbare Präzisionsbombe einsetzbar sein. Die Stationierung soll ab 2023 und bis 2026 abgeschlossen sein. Diese Bombe bekommt auch ein neues Trägerflugzeug: den Tarnkappenbomber F-35A Joint Strike Fighter.

► Mehr lesen zur B61-12: Die neue "Smart"-Atombombe der USA

► Modernisierung des US-Atomwaffenkomplexes (Tabelle, 2015)

Abrüstung und Rüstungskontrolle

Die USA und die anderen Atomwaffenstaaten verpflichten sich laut Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags, ihre Atomwaffen vollständig abzurüsten. Die Vertragsparteien verabschiedeten bei der Überprüfungskonferenz 2000 eine Liste von 13 Schritten, die zu einer systematischen Umsetzung des Artikels führen sollten. Die USA haben dieses Programm mitunterzeichnet. Die Bush-Administration ging jedoch dazu immer mehr auf Distanz. Der US-Kongress hatte bereits unter der Clinton-Administration abgelehnt, den umfassenden Atomteststoppvertrag zu ratifizieren (Schritt 1). Danach hat Bush den ABM-Vertrag gekündigt (Schritt 7) und hielt die Option offen, Atomtests wiederaufzunehmen (Schritt 2). In den Verhandlungen mit Russland über die Reduzierungen der Atomwaffen beharrten die USA darauf, ihre Atomwaffen in Zukunft wieder vollzählig stationieren zu können und nicht zu verschrotten (Schritt 5).

Obama erklärte bereits in seinen Wahlkampfreden 2008, dass er die Atomwaffenpolitik der USA wesentlich ändern und sich für eine atomwaffenfreie Welt einsetzen wolle. Diese Vision betonte er als damaliger US-Präsident am 5. April 2009 in Prag und brachte am 24. September 2009 eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat ein, die das Ziel einer atomwaffenfreien Welt zusätzlich bekräftigte. Die Resolution wurde einstimmig angenommen. Am 9. Oktober 2009 wurde Obama – unter anderem für seine Bemühungen und seine Vision einer atomwaffenfreien Welt – mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

2010 wurde bei der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags ein Aktionsplan verabschiedet, der weitestgehend auch ohne Umsetzung blieb.

Im Februar 2012 kursierten Gerüchte über eine Diskussion des Pentagons betreffend der künftigen Zahl von Atomwaffen, die für eine glaubwürdige Abschreckung notwendig seien. Die Rede von einer möglichen Reduzierung der Anzahl um bis zu 80% sorgte für Aufregung. In seiner Rede im Juni 2013 in Berlin kündigte Präsident Obama an, das US-Atomwaffenarsenal um bis zu einem Drittel zu reduzieren. Dazu kam es aber nicht, denn Russland lehnte Obamas Angebot über weitere Abrüstungsverhandlungen ab.
 

  • Neue START (Strategic Arms Reduction Treaty)

Am 26. März 2010 verkündeten die USA und Russland, dass sie sich nach monatelangen Verhandlungen auf einen neuen Vertrag zur Abrüstung strategischer Atomwaffen geeinigt hätten, welcher, das im Dezember 2009 ausgelaufene START-Abkommen ersetzte. Laut Vertrag sollen die strategischen Atomwaffen beider Länder innerhalb von sieben Jahren jeweils um ca. ein Drittel reduziert werden auf maximal 700 Startsysteme und 1.550 platzierte Atomsprengköpfe auf strategischen Trägersystemen. Das sind ein Drittel weniger, als im letzten SORT-Vertrag von 2002 vorgesehen waren.

Alle sechs Monate berichten die USA und Russland, wie viele strategische Atomwaffen sie aktuell noch stationieren. Laut dem US-Außenministerium stationierten die USA im September 2019 668 strategische Startsysteme (land- und seegestützte ICBMs und schwere Bomber) mit 1.376 Sprengköpfen. Das bedeutet ein leichter Anstieg im Vergleich zu März 2018 um 19 Startsysteme und 11 Sprengköpfe. Die Anzahl unterscheidet sich von den im Nuclear Notebook präsentierten Zahlen, da die New-START Regelungen pro Bomber immer nur einen Sprengkopf zählen – deshalb ist die Stückzahl in Wirklichkeit höher. Auch die Gesamtzahl der strategischen Systeme ist höher, da Raketen und Bomber, die nicht stationiert sind, nicht zerstört werden und relativ kurzfristig einsatzbereit gemacht werden können. Insgesamt wurde das US-amerikanische Waffenarsenal seit dem Inkrafttreten des Vertrags 2011 um 214 stationierte Trägerraketen und 424 stationierte strategische atomare Sprengköpfe verringert. Sie besitzen trotzdem aktuell 155 stationierte Träger-raketen mehr als Russland.

US-Präsident Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin verlängerten den New-START Vertrag im Januar 2021 um fünf Jahre.  Die Regierung von Donald Trump hatte sich mit Moskau in zähen monatelangen Verhandlungen nicht auf eine Verlängerung verständigen können. Nun stellt der New-START-Vertrag das letzte atomare Abrüstungsabkommen zwischen den beiden Ländern dar. Der russische Präsident Putin hat in seiner Rede an die Nation am 21. Februar 2023 angekündigt, dass Russland seine Teilnahme an dem Abkommen „New START“ suspendiert. Russland zieht sich zwar nicht vollständig aus dem Vertrag zurück, aber die Aussetzung könnte bedeuten, dass eine Kündigung bevorsteht. Der Vertrag sieht ein Kündigungsrecht mit dreimonatigen Frist vor, aber keine Option, den Vertrag „auszusetzen“.

  • Der INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty)

Nach jahrelangem Streit erklärte US-Außenminister Mike Pompeo am 1. Februar 2019, die USA setze ab dem 2. Februar ihre Verpflichtungen aus dem INF-Vertrag aus und leite das Verfahren zum Austritt aus dem Vertrag ein. Gleich am nächsten Tag zog Russland nach und kündigte seinerseits den Vertrag auf. Somit lief der INF-Vertrag am 2. August 2019 endgültig aus.     

Beide Staaten geben dem jeweils anderen Staat die Schuld an diesen Entwicklungen. Das maßgebliche Element des INF-Vertrages war ein Verbot landgestützter Kurz- und Mittelstreckenwaffensysteme mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometer, sowie sie zu testen oder Abschussvorrichtungen für solche Waffen herzustellen. Seit 2007 wirft die russische Regierung den USA vor, sie verstoße gegen dieses Verbot und 2014 beschuldigte Trump Russland ebenfalls eines Vertragsverstoßes.

Die US-Atomwaffen 2023

TypZahl der Träger stationiert im Jahr...Sprengköpfe x
Sprengkraft (KT)
stationierte Sprengköpfe
 
Gesamtsumme stationiert   ca. 1.770
Reserve   ca.1.938
Zwischensumme   ca. 3.708
Für Abrüstung markiert   ca. 1.536
Gesamtarsenal   ca. 5.244
ICBMs    
Minuteman III    
Mk-12A20019791-3 W78 x 335 (MIRV)600
Mk-2120020061 W87 x 300200
Insgesamt400  800
SLBMs    
Trident II D514/280   
Mk-4A 20081-8 W76-1 x 90 (MIRV)1.511
Mk-4A 20191-2 W76-2 x 8 (MIRV)25
Mk 5 19901-8 W88 x 455 (MIRV)384
Insgesamt14/280  1.920
Bomber    
B-52H Stratofortress87/46*1961ALCM/W80-1 x 5-150500
B-2A Spirit20/20*1994B61-7 x 10-360/-11 x 400
B83-1 x niedrig -1.200
288
Insgesamt107/66  788
Taktische Waffen    
F-15E, F-16 Kampfjets, u.a.n/a19791-5 B61-3/-4 x 0,3-170200**
Insgesamt   200

* Die erste Zahl ist das Inventar an Flugzeugträgern, die für Training, Tests und als Reserve gehalten werden. Die zweite Zahl ist das Inventar an für den Einsatz bestimmten Primärflugzeugträgern. Die USA hat insgesamt 66 atomwaffenfähige Jagdflugzeuge: 46 B-52H-Bomber und 20 B-2-Bomber.

**100 von diesen Bomben sind in Europa stationiert. Alle Anderen sind in den USA zentral gelagert.

Quelle: Hans M. Kristensen & Matt Korda (2023) United States nuclear weapons, 2023,
Bulletin of the Atomic Scientists, 16.01.2023

Bearbeitungsstand: März 2023

US-Arsenal 2023

Insgesamt5.244
Einsatzbereit1.770
Reserve1.938
für Abrüstung markiert1.536

Quelle:  Hans M. Kristensen & Matt Korda (2023) United States nuclear weapons, 2023,
Bulletin of the Atomic Scientists, 716.01.2023

Im Wortlaut

Nukleare Doktrinüberprüfungen

Links

Videos

Wichtige US-Persönlichkeiten

Atomwaffen A-Z